Neos: Vom Nachfolger zum Konkurrenten
TYPO3 ist ein von der TYPO3 Association entwickeltes freies Content-Management-System, das auf der Skriptsprache PHP basiert. Für die Open-Source-Software gibt es keinen offiziellen Support durch den Hersteller bzw. Entwickler, sondern stattdessen durch User sowie Dienstleister, die sich auf TYPO3 spezialisiert haben. Für TYPO3 sind inzwischen über 5.000 Erweiterungen verfügbar, die dem Framework beispielsweise Shop-Systeme, Bildergalerien oder Foren hinzufügen und die ebenfalls kostenfrei sind. Seit 2015 betreut nun ein Entwicklerteam unabhängig von der TYPO3 Association das ehemals gemeinsame Projekt TYPO3 Neos.
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Aus TYPO3 5.0 (Phoenix) wird TYPO3 Neos
Nachdem TYPO3 im Jahr 2001 in einer ersten Version (3.0) veröffentlicht und anschließend durch zahlreiche Updates optimiert worden war, begann 2006 ein Projekt, das die vollständige Überarbeitung der damaligen Version 4.x zur Zielsetzung hatte. Zu diesem Zweck sollten der Kern rekonstruiert und zahlreiche neue Features und Standards implementiert werden. Das Ergebnis sollte als zukunftsorientiertes TYPO3 5.0 präsentiert werden. Im Laufe der Arbeiten wurde den Entwicklern jedoch schnell klar, dass man sich zur Umsetzung der Pläne von der TYPO3-Codebasis gänzlich trennen musste. Das Projekt bekam deshalb zunächst den Namen „TYPO3 Phoenix“, doch schon im Oktober 2012 – zur Präsentation der ersten Alpha-Version – entschied man sich für ein neues Namenskonzept, mit dem „TYPO3 Neos“ geboren war. Gleichzeitig wurde aus dem Versionszweig TYPO3 4.x das heutige TYPO3 CMS. Statt diesen Zweig wie geplant mit Version 5.0 fortzusetzen, wurde die Versionsnummer übersprungen und 2012 folgte als direkter Nachfolger TYPO3 CMS 6.0.
Bereits 2011 erschien das eng mit der Entwicklung von TYPO3 Neos verbundene Applikation-Framework FLOW3, welches heute den Namen TYPO3 Flow trägt. Es dient in erster Linie als Fundament von TYPO3 Neos, eignet sich jedoch auch zur allgemeinen Entwicklung von Anwendungen in PHP.
Unterschiede führen zur Abspaltung
2015 gaben die Entwicklerteams von TYPO3 Neos und TYPO3 CMS bekannt, in Zukunft getrennte Wege zu gehen. Die offizielle Begründung: Aus dem langen und mühsamen Entwicklungszeitraum seien zwei Produkte mit großen Unterschieden hervorgegangen. Neben den unterschiedlichen Anforderungen der Systeme dürften aber auch die voneinander abweichenden Vorstellungen darüber, was ein modernes CMS ausmacht, Grund für die Trennung gewesen sein. Demzufolge ergaben sich verschiedene Zielgruppen: Während die TYPO3-CMS-Entwickler die klassische Trennung von Backend und Frontend bevorzugen, zielt Neos auf ein innovativeres Konzept ab, das vor allem die Bedienung für Webredakteure erleichtern soll. Um die Entwicklung der neuen Systeme nicht zu bremsen, entschieden sich beide Parteien für die Abspaltung. Da die TYPO3 Association seitdem ausschließlich an der Entwicklung des ursprünglichen TYPO3 CMS arbeitet, ist das Neos-Team ohne die Unterstützung des Entwicklernetzwerks nunmehr auf sich selbst gestellt. Folgende allgemeine Änderungen für ihr Produkt gaben die Neos-Entwickler nach dem Split bekannt:
- Das Open-Source-CMS erfährt eine weitere Umbenennung, indem das Präfix TYPO3 komplett gestrichen wird und nur der Name Neos bestehen bleibt.
- Es gibt eine eigene Projekt-Website: neos.io
- Umstieg auf die Entwicklerplattform GitHub
- Umstieg auf MIT-Lizenz
Der größte Unterschied zwischen Neos und TYPO3 CMS ist die Struktur von Front- und Backend. Während TYPO3 CMS die klassische, strikte Trennung der beiden Bereiche aufweist, sieht und bearbeitet der Nutzer in Neos sämtliche Inhalte direkt im Frontend, über das die Backend-Elemente gelegt wurden. Somit sind sämtliche Änderungen sofort sichtbar, was die Bedienung von Neos prinzipiell intuitiver macht. Dennoch sollte die Einarbeitung in das moderne Content-Management-System nicht unterschätzt werden. So gibt es im Neos-Projekt beispielsweise nicht den aus TYPO3 CMS bekannten Extension-Manager zur Integration von Erweiterungen. Diese müssen in Neos als hinterlegte Pakete mithilfe eines Paketmanagers installiert werden.
Die Konsequenzen für Benutzer
Die zukünftige Entwicklung und der Erfolg von Neos und TYPO3 CMS sind nur schwer vorherzusagen. Es bleibt abzuwarten, ob Neos an Akzeptanz gewinnen und TYPO3 CMS die solide Basis halten kann oder ob beide Systeme am Ende als Verlierer dastehen. Die Abspaltung bedeutete aber nicht nur einen gewagten Schritt für die Entwicklerteams, sondern bringt auch große Veränderungen für die Benutzer mit sich. Webentwickler, Redakteure, Agenturen und Kunden stehen plötzlich vor der Entscheidungsfrage – ohne dass absehbar ist, mit welchem System sie langfristig planen können. Doch was hat sich für die einzelnen Benutzergruppen konkret geändert?
Entwickler & Redakteure
Webentwickler stehen nach der Trennung von Neos und TYPO3 CMS vor der Herausforderung, die Programmierung zweier Content-Management-Systeme zu beherrschen, die sich zunehmend in unterschiedliche Richtungen entwickeln werden. Das gehört zwar prinzipiell zum Alltag der Entwickler, denen oftmals umfassendes Wissen über diverse Anwendungen abverlangt wird, birgt in diesem Fall aber das Risiko eines Mehraufwands, der sich langfristig gesehen nicht auszahlen könnte. Etabliert sich Neos neben TYPO3 CMS als gefragtes System, hat ein Webentwickler, der beide Anwendungen programmieren kann, jedoch alle Trümpfe in seiner Hand.
Für Redakteure sieht die Situation wesentlich entspannter aus: Entscheidet sich der Arbeitgeber bzw. der zuständige Entwickler für einen Umstieg auf Neos, hat das für Autoren nur Vorteile. Sie müssen sich zwar an eine neue Benutzeroberfläche gewöhnen, allerdings ist diese wesentlich intuitiver und einfacher zu bedienen als TYPO3 CMS. Redakteure sehen im Neos-Frontend direkt, wie ihre Änderungen auf der Website aussehen werden.
Agenturen & Kunden
Agenturen, die die Programmierung und Pflege von Webanwendungen für ihre Kunden übernehmen, stehen durch die Trennung von Neos und TYPO3 CMS ebenfalls vor diversen Herausforderungen. Sie müssen Weiterbildungen finanzieren oder Neos-Experten einstellen, wobei unklar ist, welche Zukunft das System hat. Dauerhaft Fachkräfte für Neos und TYPO3 CMS zu beschäftigen, dürfte besonders für kleinere Agenturen eine finanzielle Gratwanderung werden. Hinzu kommt die fehlende Planungssicherheit. Deshalb sollten Agenturen sehr genau überlegen, ob sich das Anbieten beider Content-Management-Systeme langfristig rentiert.
Für die Agenturkunden ändert sich theoretisch nichts, da sie mit der Programmierung und Pflege des Systems bzw. ihrer Websites in der Regel nicht in Berührung kommen. Verändert die Agentur aufgrund der Aufspaltung der TYPO3-Systeme allerdings ihr Geschäftsprofil, sind Kunden davon am Ende auch betroffen. Dabei sind auch negative Szenarien wie steigende Preise denkbar. Plant überdies ein Kunde den Umstieg auf Neos und seine Agentur bietet diese Möglichkeit nicht, ist er gezwungen, zu einer anderen Agentur zu wechseln.