Growth Hacking: Wie Ihr Unternehmen mit cleveren Ideen kostengünstig wächst
Kleine und junge Unternehmen stehen zum Start in der Regel vor einem schwer zu bewältigenden Spagat: Sie müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um zu wachsen, gleichzeitig aber mit einem schmalen Budget auskommen, das traditionelle Marketing-Kampagnen in Printmedien, Radio und TV unmöglich macht. Die Kunst besteht folgerichtig darin, die bescheidenden Mittel mithilfe kreativer, innovativer Ideen, Fleiß und effektiven Analysemethoden optimal einzusetzen.
Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer häufiger genannt wird, ist Growth Hacking (von engl. growth = „Wachstum“). Als Growth Hacks werden solche Marketing-Maßnahmen bezeichnet, die einzig und allein auf das Wachstum des Unternehmens abzielen, sowohl hinsichtlich Nutzer- bzw. Kundenzahlen als auch in Bezug auf Conversions. Gleichzeitig sind diese Taktiken standardmäßig mit keinerlei oder nur sehr geringen Kosten verbunden. Doch wie genau geht ein Growth Hacker dabei vor und welche Erfolgsbeispiele gibt es für diese Art des Performance-Marketings?
Was ist Growth Hacking eigentlich genau?
Den Begriff des Growth Hackers präsentierte Sean Ellis, Gründer des Webdienstes Qualaroo, erstmals im Jahr 2010 in einem Beitrag in seinem Startup-Marketing-Blog. Er beschreibt den Growth Hacker als einen Marketer, der sich auf das Wachstum des Unternehmens konzentriert und dieses anderen Faktoren wie Image und Bekanntheit überordnet. Beim Growth Hacking werden Wege eingeschlagen, die sich durch Innovation und Kreativität auszeichnen und im besten Fall komplett kostenlos sind. Dabei werden das Produkt bzw. der offerierte Dienst und dessen Nutzer selbst zu Marketing-Instrumenten. Das geschieht mithilfe geeigneter Schnittstellen, die die Verbreitung begünstigen und somit bei der Generierung neuer Kunden unterstützen. Der Growth Hacker ist in der Regel nicht nur Marketing-Spezialist, sondern weiß auch über die technischen Hintergründe Bescheid.
Von Hotmail, Facebook und Twitter: Die erfolgreichsten Growth Hacks
Wie unterschiedlich Growth Hacks konzipiert sein können, zeigen die diversen Erfolgsfälle der Vergangenheit. Bereits 1998 hatte Hotmail mit seiner ganz eigenen, ebenso simplen wie genialen Strategie auf sich aufmerksam gemacht: Der kostenlose E-Mail-Dienst hängte automatisch jeder mit Hotmail verschickten Nachricht den kleinen Text „Get your free Email at Hotmail“ (dt. „Hol dir deine kostenlose Hotmail-Adresse“) inklusive Link zur Registrierung an. So trugen die bereits bestehenden Kunden mit jeder verschickten E-Mail zum Erfolg des Dienstes bei, der knapp ein Jahr nach Veröffentlichung bereits über 12 Millionen Nutzer verzeichnen konnte. Diese Art des Growth Hackings ist heute noch stark bei Anbietern von Homepage-Baukästen verbreitet, die oft über gratis nutzbare Basisversionen verfügen. Diese bieten nicht nur einen beschränkten Funktionsumfang, sondern fügen den Webseiten auch kleine Werbebanner bzw. Brandings inklusive Verlinkung hinzu, die den Besuchern signalisieren, dass sie mit dem jeweiligen Baukasten erstellt wurden.
Dass Growth Hacker auch technisches Know-how mitbringen müssen und umfassende Analysen der wichtigsten Kennziffern ein Kerngebiet ihrer Arbeit darstellen, zeigt das Beispiel Twitter. Als der Kurznachrichtendienst 2006 startete, stellte das Unternehmen schnell fest, dass User, die mindestens 30 anderen Twitterern folgten, die zu Beginn sehr kryptisch erscheinenden Zeichen und Funktionen wie Hashtags, Retweet etc. schneller verstanden und wiederkamen. Folglich installierte Twitter mit Empfehlungen neuer Accounts, denen neue User unbedingt folgen sollten, das entscheidende Werkzeug, um diese magische Zahl möglichst schnell und oft zu erreichen. Das vier Jahre später veröffentlichte Pinterest greift dieses Verbreitungskonzept auf und geht noch einen Schritt weiter: Wer sich bei dem sozialen Bildernetzwerk anmeldet, folgt automatisch ausgewählten Top-Usern.
Beinahe von beängstigendem Erfolg gekrönt waren die Growth Hacks von Facebook und dem mittlerweile einverleibten Instant-Messaging-Dienst WhatsApp. Ihre Schnittstelle zu schnellem Wachstum: Bereits bestehende Kontaktlisten. Facebook hatte eigens zu diesem Zweck 2010 das malaysische Unternehmen Octazen Solutions gekauft, das auf den Import von E-Mail-Kontakten spezialisiert war. Wenig später führte man die Kontaktimport-Funktion ein, mit deren Hilfe Facebook-Nutzer die eingetragenen Kontakte ihrer kompletten E-Mail-Liste zur Nutzung des sozialen Netzwerks einladen konnten. Noch einfacher und schneller funktioniert die Vernetzung bei WhatsApp. Dank des automatischen Imports der persönlichen Telefonadressbücher finden Nutzer unkompliziert zueinander, mithilfe der Telefonnummer können zudem auch Freunde und Bekannte zur Nutzung eingeladen werden. So gewann der Dienst innerhalb weniger Jahre über eine Milliarde Nutzer, ohne einen einzigen Dollar in Marketing zu investieren.
Die entscheidenden Erfolgsfaktoren
Um mit Growth Hacks für strategische und vor allem nachhaltige Wachstumsraten zu sorgen, gibt es einige Faktoren, die Sie – abhängig vom jeweiligen Produkt bzw. Dienst – unbedingt beherzigen sollten. An erster Stelle steht dabei stets das Produkt bzw. der Service selbst. Growth Hacking funktioniert immer dann besonders gut, wenn das im Fokus stehende Element für sich spricht und nur einen kleinen Auslöser benötigt, um die Kettenreaktion in Gang zu setzen. Anders gesagt vergrößern Sie die Chance, User als Wachstumsbeschleuniger zu nutzen, wenn diese Ihr Produkt oder Ihren Dienst schon von sich aus weiterempfehlen würden.
Natürlich spielen beim Growth Hacking auch soziale Netzwerke und Blogs eine entscheidende Rolle. Diese Plattformen bieten quasi eine kostenfreie Werbemöglichkeit, die Konsumenten nicht nur wahrnehmen, sondern auch direkt mit ihrem Bekanntenkreis teilen können. Insbesondere Bilder und Infografiken stellen hier einen vielversprechenden Faktor dar, um Ihr Unternehmen ins Gespräch zu bringen. Sie sollten außerdem gezielt die Trends der Social Media im Auge behalten, denn das Wissen über angesagte Plattformen, Themen und Inhaltstypen wird sich bei der Ideenfindung für geeignete, innovative Growth Hacks mit großer Wahrscheinlichkeit als nützlich erweisen.
Doch nicht nur eine scharfe Beobachtungsgabe ist gefragt: Ebenso wichtig ist es, im entscheidenden Moment zu überraschen. Growth Hacker werden nicht nur für ihren Fleiß belohnt, sondern müssen am Ende auch in der Lage sein, Hindernisse zu überwinden, wenn gewöhnliche Mechanismen nicht greifen. So hat der Online-Speicherdienst Dropbox trotz des Verzichts auf klassische Werbung und mit einem eher eingeschränkten Weiterempfehlungspotenzial dank verschiedener Wachstumskonzepte einen unvergleichlichen Aufstieg zu einem milliardenschweren Unternehmen hingelegt. Registrierte Nutzer erhalten z. B. zusätzlichen Speicherplatz, wenn sie weitere Nutzer werben oder das Dropbox-Konto mit ihrem Facebook- oder Twitter-Account verknüpfen. Und auch die sogenannten Dropquest-Wettbewerbe, bei denen Nutzer knifflige Aufgaben lösen und damit ebenfalls zusätzlichen Speicher freischalten konnten, trugen entscheidend zum Erfolg des Filehosting-Dienstes bei.
Chancen und Risiken von Growth Hacking
Oftmals wird angenommen, dass mit Growth Hacks nicht nur Geld, sondern auch eine Menge Zeit und Aufwand gespart wird. Diesen Irrglauben widerlegt bereits die Tatsache, dass allein die Ausarbeitung der passenden Growth-Hacking-Strategie ebenso umfangreich wie die einer großen Werbekampagne sein kann. Ferner sollten Sie ein Growth Hack niemals als Ersatz von Marketing, sondern vielmehr als eine clevere Ergänzung sehen, die falsch eingesetzt sogar die Entwicklung Ihres Unternehmens bremsen könnte.
Das gilt vor allem, wenn Sie ein Produkt bzw. einen Service anbieten, der Ihren Kunden keinen Mehrwert bietet. In diesem Fall könnten Sie zwar durch eine kreative Vorgehensweise ein ebenso starkes Wachstum verzeichnen wie vergleichbare Angebote mit hoher Qualität, werden jedoch mittel- und langfristig kaum auf dem Markt bestehen, da Sie nur wenige der neugewonnenen Kunden in Bestandskunden umwandeln können. Den Großteil der Nutzer werden Sie hingegen verlieren und standardmäßig auch künftig nicht zur Rückkehr bewegen können. Anstatt zuwachssteigernde Weiterempfehlungen auszusprechen, werden diese im ungünstigsten Fall sogar von der Nutzung Ihres Angebots abraten.
Die großartigen Chancen, die mit Growth Hacking verbunden sind, können dennoch keineswegs abgestritten werden. Während Suchmaschinenoptimierung, Social-Media-Marketing und Co. mittlerweile zum Pflichtprogramm gehören und auch von Ihrer Konkurrenz betrieben werden, bietet ein innovativer Growth Hack die perfekte Möglichkeit, ebendiese auszustechen und Nutzer zu erreichen, die Sie auf anderen Kanälen nicht erreicht hätten. Das dafür notwendige Budget bleibt absolut überschaubar, sodass Sie es selbst mit finanzstarken Konkurrenten aufnehmen können.