Halo-Effekt: Der erste Eindruck und seine Rolle im Marketing
„Der erste Eindruck dominiert alle späteren Eindrücke.“ Im sprichwörtlichen „You never get a second chance to make a first impression“ steckt also mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Psychologisch gesehen ist das der Halo-Effekt, auch bekannt als Heiligenschein-Effekt. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, weil Menschen sich von einem (falschen) ersten Eindruck über Gebühr beeinflussen lassen.
Was ist der Halo-Effekt?
Kognitive Verzerrungen betreffen stets mehrere Aspekte: Wahrnehmung, Erinnerung, Denken und Urteilsvermögen. Verzerrungen sind dabei alle systematisch auftretenden Fehlhandlungen oder Fehleinschätzungen, die verlässlich in Studien reproduzierbar sind. Im Falle des Halo-Effekts, der im Deutschen auch als Heiligenschein-Effekt bezeichnet wird, ist der erste Eindruck von einer Person oder einer Sache so positiv, dass dieses Bild im Nachhinein nur langsam oder gar nicht an die Realität angepasst wird.
Unter dem Halo-Effekt versteht man die Tendenz, bei Personen oder Dingen unbewusst von bekannten Eigenschaften auf unbekannte zu schließen. Diese kognitive Verzerrung hat häufig eine langfristige Wirkung, selbst wenn sich der erste Eindruck im Nachhinein nicht als korrekt erweist, was den Halo-Effekt u. a. für das Marketing interessant macht.
Die Theorie: Wie funktioniert der Halo-Effekt?
Der Halo-Effekt wurde erstmals 1907 beobachtet, und zwar von Frederic L. Wells. Der prägnante Begriff „Halo-Effekt“ zur Beschreibung des Phänomens stammt allerdings vom US-amerikanischen Psychologen Edward Lee Thorndike. Der Ursprung in der Psychologie macht direkt klar, dass diese kognitive Verzerrung auch für Marketing und Sales Relevanz hat. In der Vermarktung basiert schließlich vieles auf psychologischen Prinzipien, und die Psychologie in Verkaufsprozessen ist ein wichtiger Teilbereich der Wirtschaftspsychologie.
Der Halo-Effekt hat auch auf die Interaktion zwischen Menschen immensen Einfluss. Es fällt uns demnach schwer, objektiv zu urteilen. Je mehr wir aber über kognitive Verzerrungen wie den Halo-Effekt wissen, desto eher bleiben uns Fehleinschätzungen erspart – bei der Auswahl von Mitarbeitern, Lieferanten, Geschäftspartnern usw., kurz gesagt: bei jeder Partnerwahl.
Weil der Halo-Effekt so weitreichend ist, wurden seit jeher Gegenstrategien entwickelt. Dies geschah intuitiv und evolutionär-selektiv vor seiner Entdeckung. Gezielt und wissenschaftlich wird daran gearbeitet, seitdem klar ist, wie gravierend der Effekt tatsächlich ist.
Die Erklärung für den Halo-Effekt ist eigentlich recht einfach. Über einen Menschen, den man gerade erst kennengelernt hat, liegen einem zu wenige Informationen vor, um sich ein verlässliches Urteil bilden zu können. Man ist aber auch darauf angewiesen, aus den wenigen Eindrücken möglichst schnell ein aussagekräftiges Persönlichkeitsbild zu formen, um sich angemessen zu verhalten. In der Regel läuft dieser Prozess der Ab- und Einschätzung des Gegenübers vollkommen unbewusst ab.
Wer jedoch um die Prozesse weiß, die in dieser sensiblen Kennenlernphase ablaufen, ist als Akteur klar im Vorteil. Entscheidend für ein gutes Urteil ist neben der Wertigkeit (möglichst positiv) auch der Zeitpunkt einer Information (möglichst früh). Der Halo-Effekt ist sehr dauerhaft. Selbst spätere Negativerlebnisse, beispielsweise in einer wie auch immer gearteten Partnerschaft, werden oft lange vom positiven ersten Eindruck überlagert. Der Halo-Effekt beschreibt also einen wichtigen Aspekt des sozialen Kapitals.
Die Praxis: Beispiele für den Halo-Effekt
Konkrete Beispiele machen deutlich, wie wirkungsvoll der Halo-Effekt ist: Laut Studien werden beispielsweise attraktivere Menschen automatisch für schlauer gehalten – obwohl es keinen Zusammenhang zwischen Aussehen und Intelligenz gibt. Dickere Menschen gelten u. a. als sanftmütiger, aber auch hier gibt es keinen Zusammenhang. Weitere Beispiele lassen sich in Sektoren wie Bildung oder Medien finden. Lehrer beurteilen attraktivere Schüler als kompetenter und der sympathische Nachrichtensprecher gilt automatisch als intelligent.
Schon die erste große Analyse des Halo-Effekts lieferte ein exzellentes Beispiel für die Bedeutung und Gefahr dieser kognitiven Verzerrung. Als der US-Psychologe Thorndike die Beurteilung von Soldaten untersuchte, kamen erstaunliche Erkenntnisse zutage. Soldaten mit besonders gerader Körperhaltung wurde in den Beurteilungsbögen signifikant häufiger auch Schießgenauigkeit bescheinigt – obwohl dies in der Praxis oft gar nicht zutraf. Die bewertenden Offiziere hatten also von einem hervortretenden Merkmal, dem dazu im analysierten Umfeld noch eine große Bedeutung beigemessen wurde, unbewusst darauf geschlossen, dass auch andere Parameter positiv sind.
Der Halo-Effekt im Marketing: Eine große Chance
Im Marketing hat man häufig nur eine einzige Chance, um einen Eindruck beim potenziellen Kunden zu hinterlassen. Es ist also durchaus sinnvoll, wenn man diese eine Chance dank des Wissens um den Halo-Effekt optimal nutzt. Dies gilt sowohl für den Verkauf im direkten, persönlichen Kontakt als auch für den indirekten Kontakt über Website, Anzeige oder sonstige Werbemittel.
Aufgrund der Kraft des Halo-Effekts reicht dabei oft ein einziges korrekt gewähltes, positives Persönlichkeitsmerkmal. Dieses lässt dann die gesamte Person, aber auch ein gesamtes Produkt in einem besonders guten Licht erscheinen. Der Effekt verleiht Person oder Produkt eine Art „Heiligenschein“. Die Auswahl dieses Merkmals sollte also sehr sorgfältig erfolgen, damit auch wirklich der gewünschte Effekt erzielt wird. Im persönlichen Kontakt, insbesondere im B2B-Vertrieb und im B2B-Marketing, kann es sogar sinnvoll sein, auf jeden Potenzial- und Bestandskunden mit einem ganz individuell auf diesen ausgerichteten „Heiligenschein“ zu arbeiten, um jeweils einen optimalen ersten Eindruck zu erzeugen. Im späteren Verhandlungsverlauf, der durchaus konfrontativ sein kann, zehrt man dann lange von diesem guten ersten Eindruck. Auch im Onlinemarketing und im Onlinehandel kann man sich die Strahlkraft und den Erfolg eines Produktes zunutze machen, um auch den Rest der Produktpalette aufzuwerten und besser verkaufen zu können. Experten sprechen in diesem Zusammenhang vom „Brand-Halo-Effekt“.
Im Personal-Management und in der Personalauswahl spielt der Halo-Effekt aufgrund der besonderen Situationen (z. B. Vorstellungsgespräch, Fachkräftemangel) ebenfalls eine sehr große Rolle. Sowohl das Unternehmen (z. B. in Gestalt des Personalverantwortlichen) als auch der Bewerber wollen schließlich einen optimalen Eindruck hinterlassen. Und jeder der Beteiligten weiß um dieses „Ritual“, mindestens für seine eigene Seite.