Kohortenanalyse – der schnelle Einblick ins Nutzerverhalten
Erfolgreiche Marketing-Kampagnen haben vor allem eines gemeinsam: Sie sind perfekt auf die anvisierten Zielgruppen zugeschnitten. Diese zu finden und zu erreichen, fordert Onlinemarketern allerdings einiges ab. Ohne intensive Untersuchungen des allgemeinen Nutzerverhaltens im Rahmen einer umfangreichen Webanalyse ließe sich nur vermuten, ob die geplanten Marketing-Schritte die gewünschten Ergebnisse erzielen können. Dabei dient für gewöhnlich das komplette Daten-Set als Basis, wodurch z. B. in Erfahrung gebracht wird, mit welchen Geräten Besucher bevorzugt auf das Webprojekt zugreifen. Einen anderen Ansatz verfolgt die sogenannte Kohortenanalyse (engl. cohort analysis). Anstatt die gesammelten Informationen als Ganzes zu analysieren, werden sie zunächst verschiedenen Gruppen (Kohorten) zugeordnet – wobei die Kriterien ganz unterschiedlich sein können.
Kohortenanalyse: Definition
Bereits seit Jahrzehnten spielt der Begriff der Kohortenanalyse bei statistischen Erhebungen in der Sozial- und speziell der Bevölkerungswissenschaft eine wichtige Rolle. Bei den elementaren Einheiten dieser Untersuchungen, den sogenannten Kohorten (lat. cohors = ‚eingegrenzter Raum‘, ‚Schar‘), handelt es sich um Gruppen von Personen, die ein gemeinsames demografisches Merkmal besitzen. Das können beispielsweise das Geburtsjahr oder der Eintritt ins Berufsleben sein, aber auch das Alter bei bestimmten historischen Ereignissen wie dem Mauerfall 1989. Hier wird häufig auch der Begriff der „Generation“ ins Feld geführt. Im Rahmen der Kohortenanalyse, die zurecht auch als „Kohortenstudie“ bezeichnet wird, wird vornehmlich die Verhaltensveränderung der zuvor definierten Personengruppen innerhalb eines bestimmten Zeitraums untersucht. Mithilfe der erhobenen Daten kann man entweder
- ein genaues Bild über die zugrundeliegende Kohorte gewinnen (Intrakohortenstudie), um beispielsweise die Veränderung des Konsumverhaltens oder die Entwicklung der Geburtenrate zu analysieren (über einen längeren Zeitraum hinweg oder stichprobenartig) oder
- einen Vergleich zu mindestens einer anderen Personengruppe ziehen (Interkohortenstudie), um nützliche Erkenntnisse über Verhaltensunterschiede zu erhalten.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts legten Statistiker wie Karl Becker (1874) und Wilhelm Lexis (1875) den Grundstein für die Analyse bestimmter Bevölkerungsgruppen. Durch die Weiterentwicklungen des Demografen Pascal Whelpton (1949) erlangten diese Ansätze als Kohortenanalyse schließlich internationale Bekanntheit. Ziel von Whelptons Forschungen war es, den Anstieg der Geburtenrate in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg zu analysieren. Heute wird das Verfahren verstärkt auch für Studien in Medizin, Politik und Marktwirtschaft genutzt.
Durchführung und Interpretation
Kohortenstudien kann man auf zwei unterschiedliche Arten durchführen: Man stellt die Kohorte in der Gegenwart zusammen und begleitet sie zukünftig (prospektive Kohortenstudie) oder man greift auf Daten aus der Vergangenheit zurück, um sie in der Gegenwart zu analysieren (retrospektive Kohortenstudie). Um einen der beiden Typen der Kohortenanalyse umzusetzen, sind die folgenden vier Schritte nötig:
- Forschungsfrage und -ziel definieren: Um relevante Informationen zu erhalten, gilt es, die richtige Frage zu stellen. Erst wenn man konkrete Vorstellungen über den Inhalt und Zweck der Untersuchung besitzt, kann man die notwendige Struktur der Studie erstellen.
- Kohortenereignisse definieren: Im zweiten Schritt geht es darum, die Ereignisse festzulegen, bei denen Kohorten entstehen, die zur Beantwortung der Forschungsfrage führen können.
- Relevante Kohorten bestimmen: Nun bestimmt man, welche und wie viele Kohorten Teil der Studie sein sollen. Es ist auch möglich, die gebildeten Kohorten noch einmal aufzusplitten bzw. zu spezifizieren.
- Kohortenstudie durchführen und auswerten: Sind die gewünschten Kohorten gefunden, führt man den jeweiligen Studientyp (prospektiv/retrospektiv, Inter-/Intrakohortenstudie) durch und interpretiert im Anschluss die Daten.
Die bei der Kohortenanalyse festzustellenden Verhaltensveränderungen sind durch drei Faktoren bzw. Effekte bedingt, deren Beurteilung und Gewichtung die Hauptaufgaben der Interpretation sind:
- Kohorteneffekte
- Alterseffekte
- Periodeneffekte
Als Kohorteneffekte werden die Verhaltensunterschiede und -veränderungen zwischen verschiedenen Kohorten bezeichnet. Sie lassen sich in der Regel durch die Existenz unterschiedlicher sozialer und umweltbedingter Einflüsse erklären. Bei Alterseffekten handelt es sich um Veränderungen, die sich auf das zunehmende Alter der Personen und damit verbundene Lebenseinstellungen zurückführen lassen. Periodeneffekte schließlich stehen für Verhaltensänderungen, die aus wechselnden Umweltbedingungen resultieren – unabhängig von Generationen und soziodemografischen Faktoren.
Anhand dieser drei Effekte lassen sich deutliche Trends bezüglich des Verhaltens der einzelnen Personengruppen feststellen, auf deren Basis man wiederum Zukunftsprognosen oder Lösungsstrategien entwickeln kann. Die Hauptaufgabe besteht darin, Alters-, Kohorten- und Periodeneffekte, die bei jedem Ereignis gleichzeitig auftreten können, voneinander zu trennen. Nur wer diesen – in der Kohortenanalyse als Identifikationsproblem bekannten – Sachverhalt miteinbezieht, erhält aussagekräftige Ergebnisse über die wahre Ursache der Verhaltensveränderungen.
Der Nutzen von Kohortenanalyse im Marketing
Die Analyse des Markts und der Zielgruppen ist ein wichtiger Bestandteil der Strategieplanung, die jeder Marketing-Kampagne vorausgeht. Insbesondere im Onlinemarketing rücken Nutzer bzw. Kunden dabei immer mehr in den Fokus. Oft dienen Millionen bereits gesammelter Daten als Grundlage für die weitere Planung – allerdings müssen diese Informationen zunächst umfangreich ausgewertet werden. Wer dabei nicht nur Erkenntnisse über das Verhalten des durchschnittlichen Users gewinnen, sondern die verschiedenen Nutzer auch nach spezifischen Kriterien sortiert betrachten möchte, nutzt die Möglichkeiten der Kohortenanalyse. Im E-Commerce ist das Verfahren längst ein unverzichtbares Werkzeug, um z. B. das Verhalten von Neu- und Bestandskunden separat zu betrachten oder regionale Trends wahrzunehmen.
Beispiel: Kohortenanalyse im E-Commerce
Dass durch die Kohortenanalyse Marketing-Kampagnen noch besser auf ihre Wirkung zu überprüfen sind, zeigt das folgende Beispiel:
Sie entscheiden sich als Onlineshop-Betreiber dafür, Ihrem Shop einen neuen Anstrich zu verpassen, und verändern das Layout. Um die Wirkung des neuen Designs auf die Kunden zu überprüfen, wollen Sie sich an den verzeichneten Kaufabschlüssen orientieren und kategorisieren Ihre Kunden in Bestandskunden (Kohorte 1) und neue Kunden (Kohorte 2). Nach zwei Monaten inspizieren Sie die Ergebnisse und stellen fest, dass die Zahl der Kaufabschlüsse abgenommen hat. Ohne weitere Informationen ließe sich nun leicht sagen, dass das neue Layout allgemein nicht gut angekommen ist. Ein Blick auf die separaten Zahlen der beiden Kohorten könnte allerdings zwei andere Szenarien offenbaren:
- Kohorte 1 (Bestandskunden) hat mehr Kaufabschlüsse getätigt, als es vor der Umgestaltung des Shops der Fall war. Im Gegensatz dazu gab es weniger Käufe von Kohorte 2 (neue Kunden).
- Es kam zu mehr Kaufabschlüssen durch Kohorte 2 (neue Kunden) als zuvor. Dafür haben die Produktkäufe von Kohorte 1 (Bestandskunden) abgenommen.
Die Kohorten: Je spezifischer, desto aussagekräftiger
Das Beispiel demonstriert, welchen Vorteil die Kohortenanalyse birgt: Sie ist wesentlich flexibler und spezifischer als eine reine Analyse des durchschnittlichen Nutzerverhaltens. Dank der leistungsstarken Funktionen gängiger Tools wie Google Analytics in Sachen Datenerhebung stellt eine Unterscheidung in Neu- und Bestandskunden dabei noch lange nicht die einzige Möglichkeit dar; die Tools helfen Ihnen dabei, das Verhalten viel komplexerer Kohorten zu überprüfen. So können Sie beispielsweise auch Alter und Herkunftsregion der Kunden oder das verwendete Endgerät in die Kategorisierung miteinbeziehen – und gelangen zu Informationen, mit deren Hilfe Sie zielgerichtet auf die Wünsche der einzelnen Kundengruppen eingehen können.