„Playboy“-Urteil schränkt Linkfreiheit ein
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) setzt der Linkfreiheit im World Wide Web Grenzen. Bereits die Verlinkung frei zugänglicher Online-Inhalte kann demnach eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Mit dieser Einschätzung widerspricht der EuGH der Empfehlung seines Generalanwalts. Dieser schloss die Strafbarkeit von Hyperlinks in einem Schlussantrag vom 7. April 2016 grundsätzlich aus:
„Nach Auffassung von Generalanwalt Melchior Wathelet stellt das Setzen eines Hyperlinks zu einer Website, auf der ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers Fotos veröffentlicht worden sind, an sich keine Urheberrechtsverletzung dar.“
Als Begründung verwies Wathelet auf die Bedeutung von Hyperlinks für das Funktionieren des Internets und die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Doch die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Europäischen Gerichtshof nicht bindend.
EuGH: Verlinkung kann Urheberrecht verletzen
Auch der Verweis per Hyperlink kann einer „öffentlichen Wiedergabe“ gleichkommen. Zu diesem Urteil kam die zweite Kammer des Europäischen Gerichtshofs am 8. September 2016. Im konkreten Fall ging es um das von GS Media betriebene niederländische Klatschportal „GeenStijl“ (deutsch: kein Stil). Dieses berichtete im Jahr 2011 über das Playboy-Shooting des TV-Stars Brit Dekker und verlinkte im Rahmen eines Online-Artikels auf eine Website, die unlizenzierte Kopien der Nacktaufnahmen bereitstellte. Als die zweifelhafte Website abgeschaltet wurde, tauschten die Betreiber von GeenStijl das Link-Ziel gegen eine andere unlizenzierte Bildquelle aus und zogen sich damit eine Klage des finnischen Medienkonzerns Sanoma zu, der den Playboy in den Niederlanden verlegt. Zwar stimmt der EuGH der Einschätzung des Generalanwalts Melchior Wathelet grundsätzlich zu, dass für private Internetnutzer nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, ob ein frei zugängliches Werk rechtssicher veröffentlicht wurde. Kommerziellen Webseitenbetreibern sei eine Nachprüfung des Urheberrechts jedoch durchaus zuzumuten.
Kommerzielle Anbieter müssen Urheberrechtsverletzung prüfen
Zwar stellt sich der EuGH mit seinem Urteil nicht grundsätzlich gegen die Linkkultur im Internet. Der bisher angenommenen allgemeinen Linkfreiheit werden mit dem „Playboy“-Urteil jedoch klare Grenzen gesetzt. Diese seien den Richtern zufolge dann überschritten, wenn ein Hyperlink eine unerlaubte „öffentliche Wiedergabe“ darstellt. Laut Urheberrecht zählt diese zu den Verwertungsrechten des Urhebers und darf ausschließlich mit dessen Zustimmung in Form einer Lizenzierung der Nutzungsrechte erfolgen. Ob ein Hyperlink auf Online-Inhalte unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ fällt, hängt einer Pressemitteilung des EuGH zufolge mit verschiedenen Voraussetzungen zusammen:
- Zuerst sei zu prüfen, ob ein Webseitenbetreiber wissentlich auf rechtswidrige Inhalte verlinkt habe. Dies sei bei privaten Internetnutzern in der Regel nur dann anzunehmen, wenn diese vom Urheberrechtsinhaber ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, dass es sich bei strittigen Inhalten um unerlaubt veröffentlichtes Material handelt.
- Kommerzielle Webseitenbetreiber können sich anders als private Internetnutzer nicht auf Unwissenheit berufen, wenn sie unlizenzierte urheberrechtlich geschützte Webinhalte verlinken. Sobald ein Hyperlink mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt wird, ist der Betreiber einer Website dem EuGH zufolge verpflichtet zu prüfen, ob betroffene Webinhalte eventuell ohne Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht wurden.
Folgen des EuGH-Urteils
Im konkreten Fall betrifft das Urteil des Europäischen Gerichtshofs die kommerzielle Nutzung von Hyperlinks und bezieht sich zudem auf einen Sachverhalt, bei dem ein Webseitenbetreiber wider besseres Wissen ein zweites Mal auf rechtswidrig veröffentlichte Webinhalte verlinkt hat. Doch die Folgen des EuGH-Urteils gehen über den Einzelfall hinaus. Für große Verunsicherung sorgt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Bloggerszene, die insbesondere von ihrer lebendigen Linkkultur lebt. Diskutiert wird u. a., wann einem Hyperlink eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden kann. Allgemeingültige Richtlinien dazu liefert der EuGH nicht. Der t3n-Autor Kim Rixecker spricht von einer „Katastrophe für Blogs“ und geht davon aus, dass es für Webseitenbetreiber zukünftig deutlich unattraktiver wird, Links auf fremde Webseiten zu setzen, da das Nachprüfen von Urheberrechten meist mit einem deutlichen Mehraufwand verbunden sei. Blogger, die mit ihren Webinhalten nur wenig Geld einnehmen, können sich diesen möglicherweise nicht leisten. In einem solchen Fall bleibt dann lediglich die Möglichkeit, auf den infrage stehenden Link zu verzichten. Kritisiert wurde das EuGH-Urteil auch vom IT-Fachanwalt Thomas Stadler. In einem Beitrag auf dem Jura-Blog „Internet-Law“ wirft Stadler die Frage auf, wie journalistische Webseiten, die in der Regel kommerziell betrieben werden, die Vorgaben des EuGH sicherstellen sollen. Statt die Rechtsprechung von einer Einzelfallabwägung abhängig zu machen, die in erster Linie eine mögliche Gewinnerzielungsabsicht berücksichtige, wäre es Stadler zufolge naheliegender gewesen, „denjenigen, der gezielt auf urheberrechtswidrige Inhalte verlinkt, als Mittäter oder Teilnehmer der fremden Urheberrechtsverletzung zu betrachten“. Auf dem Blog Netzpolitik.org thematisiert Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch die Folgen des EuGH-Urteils für das Einbetten von Internetvideos – z. B. via YouTube. Auch hier ist davon auszugehen, dass Webseitenbetreiber zukünftig prüfen müssen, ob es sich bei Inhalten, die auf Videoplattformen angeboten werden, um rechtswidrig hochgeladene Inhalte handelt, bevor sie diese einbetten. Daneben geht Dobusch davon aus, dass das EuGH-Urteil in eine Diskussion münden wird, die die präzise Unterscheidung zwischen einer kommerziellen und einer nicht-kommerziellen Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken zum Gegenstand hat. Sollte sich der Gesetzgeber hier am EuGH-Urteil orientieren und die private Nutzung von Online-Inhalten anders bewerten als die profitmotivierte, könnte dies Dobusch zufolge Antworten auf zahlreiche bisher ungelöste Urheberrechtsprobleme geben. Begrüßt wird die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom IT-Branchenverband Bitkom. Golem.de zitiert Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder, der die aus dem Urteil resultierende Rechtssicherheit für die Betreiber nichtkommerzieller Webseiten lobt. Kommerziellen Webseitenbetreibern hingegen sei zu raten, externe Verlinkungen in Zukunft stärker auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Auch Rohleder räumt jedoch ein, dass es zwischen privaten und kommerziellen Webseiten eine große Grauzone gebe.
Update: LG Hamburg setzt EuGH-Urteil um und rudert dann zurück
Als eines der ersten Gerichte hat das Landesgericht Hamburg das umstrittene EuGH-Urteil in einem Rechtsstreit (Az. 310 O 402/16) umgesetzt und damit bestätigt. Auf Unverständnis traf hier vor allem die sehr enge Auslegung der Gewinnerzielungsabsicht: Entscheidend war für das LG Hamburg nicht, ob der Link an sich auf Gewinn abzielt, sondern ob die verlinkende Website generell mit kommerzieller Absicht betrieben wird.
Eine Auffassung, an der selbst die Richter nicht lange festhielten. Schon sechs Monate später entschied dieselbe Kammer des LG Hamburg in einem anderen Fall (Az. 310 O 117/17), dass auch Anbietern kommerzieller Websites Prüfungspflichten für Verlinkungen nicht prinzipiell allein aufgrund der Gewinnerzielungsabsicht auferlegt werden können. Entscheidend sei auch, ob ein entsprechender Rechercheaufwand zumutbar sei.
Im Urteil entschied das Gericht, dass dem Betreiber eines Amazon-Partnerprogramms mit rund 15.000 Affiliate-Links zur Verkaufsplattform der mit den Prüfungspflichten einhergehende Rechercheaufwand nicht zuzumuten sei, da die Verweise automatisiert und unter Zuhilfenahme eines speziellen Algorithmus erfolgten. Damit distanziert sich das LG Hamburg bereits wenige Monate nach dem umstrittenen Beschluss von der eigenen Rechtsprechung und schafft einen weiteren Einzelfall, der eher für Verunsicherung als für Aufklärung sorgt.
Offen bleibt damit nicht nur die Frage, wann eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, sondern auch, unter welchen Umständen die Prüfung von ausgehenden Verweisen auf Drittseiten nicht mehr zumutbar ist.