Dark Patterns – (be)trügerisches Interface-Design

Vermutlich sind Sie selbst schon einmal in die Dark-Patterns-Falle getappt. Zum Beispiel mit einer Anmeldung für einen Dienst, den Sie eigentlich gar nicht wollten, oder mit dem unbeabsichtigten Kauf eines Produkts. In solchen Fällen haben Sie höchstwahrscheinlich Bekanntschaft mit der dunklen Seite des User-Experience-Designs (kurz: UX-Design) gemacht. Denn häufig gestalten Entwickler bzw. Betreiber von Webanwendungen und Apps das Design vorsätzlich nutzerunfreundlich, um eigene Interessen durchzusetzen. Selbst große Unternehmen wie Booking.com, Apple oder Amazon setzen Dark Patterns ein, um ihre Nutzer zu beeinflussen.

Doch wie genau werden Dark Patterns im UX-Design eingesetzt und worauf zielen sie ab?

Was sind Dark Patterns im UX-Design?

Der Londoner UX-Designer Harry Brignull führte 2010 den Begriff Dark Patterns ein und definiert ihn mit folgenden Worten:

Zitat

„Dark Patterns are tricks used in websites and apps that make you do things that you didn't mean to, like buying or signing up for something.“ – Harry Brignull, Quelle: https://www.darkpatterns.org/

Übersetzung: Dark Pattern sind Tricks, die in Webseiten und Apps verwendet werden, um Sie dazu zu bringen, Dinge zu tun, die Sie nicht tun wollten, wie zum Beispiel etwas zu kaufen oder sich für etwas anzumelden. (übersetzt von IONOS)

Das bedeutet: Dark Patterns sind Designmuster, die gezielt dazu eingesetzt werden, Nutzer entgegen ihres eigentlichen Interesses zu Aktionen zu verleiten. Besonders im Neuromarketing wird diese Methode häufig verwendet. Menschliche Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster werden dabei gekonnt ausgenutzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Allen voran kommt den Entwicklern von Dark Patterns die beschränkte Kapazität der Informationsaufnahme der User zu Gute: Viele Nutzer lesen lange Texte beispielsweise häufig nur oberflächlich und übersehen dadurch oft irreführende Wortlaute oder täuschende Darstellungen oder nehmen diese nicht korrekt wahr.

Das folgende Video veranschaulicht anhand konkreter Dark-Patterns-Beispiele, was Dark Patterns sind und wie sie funktionieren:

Welche Dark-Patterns-Typen gibt es und worauf zielen sie ab?

Je nach Ziel setzen Unternehmen bzw. Website-Betreiber unterschiedliche Typen von Dark Patterns ein. Häufig werden sogar mehrere Dark Patterns gleichzeitig verwendet, um den gewünschten Effekt zu verstärken und die wahre Absicht noch stärker zu verschleiern. Einige Typen von Dark Patterns, die im UX-Design zum Einsatz kommen, haben wir in den folgenden Abschnitten zusammengefasst:

  • Roach Motel („Schaben-Motel“): Der Zweck dieses Musters ist es, den Nutzer möglichst einfach in eine bestimmte Situation zu bringen und es ihm dann möglichst schwer zu machen, aus dieser wieder herauszukommen. Diese Art der Dark Patterns setzen Unternehmen häufig bei Premium-Abonnements ein. Die Möglichkeit, diese schnell und einfach abgeschlossenen Abonnements zu kündigen, ist meist versteckt und entgegen der natürlichen Intuition des Nutzers in die Webseite integriert.
  • Bait and Switch („ködern und wechseln“): Diese Methode der Dark Patterns ist eine Lockvogeltaktik. Der Nutzer strebt eine bestimmte Aktion an, wird aber dazu gebracht, am Ende etwas völlig Anderes zu tun.
  • Trick Questions (Trickfragen): Häufig setzen Formulare doppeldeutige Fragen ein, die den Nutzer dazu verleiten, eine unüberlegte Antwort abzugeben. Dieser Typ der Dark Patterns macht sich das Verhaltensmuster zunutze, dass viele Nutzer Texte nur „scannen“ und nicht sorgfältig lesen.
  • Sneak into Basket („in den Warenkorb schmuggeln“): Aufgrund von nicht deaktivierten Opt-out-Möglichkeiten oder Kontrollkästchen legen Onlineshops dabei vom Nutzer ungewollt weitere Produkte in den Warenkorb.
  • Disguised Ads (getarnte Werbung): Werbeanzeigen sind so in das Design eingebunden, dass der Nutzer sie nicht direkt als solche erkennt. Häufig werden sie beispielsweise als Inhalte oder Teil der Navigationsführung ausgegeben – mit dem Ziel, dass der Nutzer klickt.
  • Privacy Zuckering: Die Electronic Frontier Foundation (EFF) führte diesen Begriff in Anlehnung an den Facebook CEO Mark Zuckerberg ein. Dieses Dark Pattern verleitet Nutzer dazu, öffentlich mehr Informationen preiszugeben, als sie wirklich wollen. So verwendete Facebook absichtlich verwirrende Privatsphäre-Einstellungen, um möglichst viele Daten von den Nutzern zu erhalten. Die Datenschutz-Grundverordnung hat mittlerweile allerdings einige Hürden geschaffen, die das Erschleichen von Daten erschweren. So ist zum Beispiel eine aktive Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich.
  • Hidden Costs (versteckte Kosten): Onlineshops geben Kosten wie Steuern, Lieferkosten oder ähnliches erst auf der letzten Seite an. Häufig neigen Nutzer dazu, die Bestellung dennoch abzuschließen, weil sie bereits den kompletten Bestellprozess durchlaufen haben.
  • Price Comparison Prevention (Verhinderung von Preisvergleichen): Um einen Preisvergleich zu erschweren, verstecken Onlinehändler häufig die Einzelpreise von Produkten. Das geschieht zum Beispiel mit Bündel von Waren oder Dienstleistungen, die einen Stückpreis verschleiern. Mobilfunkanbieter machten sich diese Methode der Dark Patterns bereits in den frühen 2000er-Jahren zunutze.
  • Misdirection (Fehlleitung): Der Einsatz dieses Dark Patterns in der UX hat den Zweck, die Aufmerksamkeit des Nutzers von einem Inhalt auf einen anderen zu lenken.
  • Forced Continuity (erzwungene Kontinuität): Unternehmen fordern ihre Nutzer bei der Aktivierung eines kostenlosen Probe-Abonnements auf, ihre Zahlungsdaten zu hinterlegen. Nach Ablauf der Probezeit geht das Abonnement automatisch und ohne jegliche Erinnerung in ein bezahlpflichtiges Abonnement über. Der Kündigungsprozess ist dann häufig sehr verwirrend und mühsam. Unternehmen hoffen, dass der Nutzer resigniert und das Konto bestehen lässt.
  • Friend Spam („Freunde“-Spam): Ein Produkt oder eine App fragt den Nutzer nach seinem E-Mail- beziehungsweise Social-Media-Kontaktzugriff – unter dem Vorwand, nach Freunden zu suchen. Nach der Genehmigung wird eine Nachricht mit der eigenen Absenderadresse an alle Kontakte versendet, um auf diese Weise mehr Aufmerksamkeit für das eigene Unternehmen oder neue Nutzer zu gewinnen.
  • Confirmshaming (Schuldzuweisung): Dieser Typ von Dark Patterns löst bei den Nutzern bewusst ein schlechtes Gefühl aus, sollten sie den Dienst nicht in Anspruch nehmen. Ein Beispiel dafür ist eine Newsletter-Anmeldung, die einen fünfzehnprozentigen Rabatt auf ein Produkt gewährt, doch der Button, mit dem man die Anmeldung ablehnen kann, ist folgendermaßen beschriftet: „Nein danke, ich möchte nicht sparen.“

Dark Patterns: Beispiele in E-Commerce & Co.

Viele Dark Patterns bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone und verstoßen zum Teil sogar gegen geltendes Recht. In jedem Fall hinterlassen sie aber einen faden Beigeschmack beim Nutzer. So auch bei den folgenden Dark Patterns Beispielen:

Booking.com

Booking.com versucht mit der Aussage „Nur noch ein Zimmer verfügbar!“ oder dem Anzeigen von ausgebuchten Unterkünften bei der Suche emotionalen Druck auf seine Nutzer aufzubauen. Der Hinweis wird nämlich auch dann präsentiert, wenn die Unterkunft selbst in Wirklichkeit gar nicht ausgebucht ist, sondern lediglich das Kontingent bei Booking.com. Hinweise wie „zwei weitere Personen suchen gerade ein Zimmer mit den gleichen Reisedaten“ suggerieren die Dringlichkeit, dass genau jetzt gebucht werden sollte. Dagegen ging die EU-Kommission vor und forderte Booking.com auf, solche manipulativen Praktiken bis spätestens Juni 2020 einzustellen.

Zitat

„Als Marktführer müssen Unternehmen wie Booking.com unbedingt ihrer Verantwortung in diesem Bereich gerecht werden.“ – Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz und Verbraucher, Quelle: https://ec.europa.eu/germany/news/20191219-bookingcom_de

LinkedIn

LinkedIn lieferte wohl das bekannteste Beispiel für Friend Spam. Während des Anmeldeprozesses bat LinkedIn seine Nutzer, Zugriff auf ihre E-Mail-Konten zu gewähren, unter dem Vorwand, dies würde ein stärkeres Netzwerk für deren Karriere schaffen. Tatsächlich wurden dann Einladungs-E-Mails mit der Absenderadresse des Nutzers versendet. 2015 musste LinkedIn aufgrund dessen 13 Million Dollar Schadensersatz an seine Nutzer zahlen. Bei der damaligen Nutzeranzahl waren das ungefähr zehn Dollar pro Mitglied.

Ryanair

Ryanair versuchte Ende 2010 mithilfe von Dark Patterns mehr Reiseversicherungen zu verkaufen. Während des Buchungsprozesses gab es ein Feld „Buy AXA Travel Insurance“. Dem Nutzer standen hier nicht wie gewohnt eine „Ja“- oder „Nein“-Option zur Auswahl. Stattdessen sollte er über ein Drop-down-Menü sein jeweiliges Land auswählen. Auf den ersten Blick schien es also so, als würde es sich um eine Pflicht-Reiseversicherung handeln. Erst bei genauem Hinschauen ließ sich die Auswahl „No Travel Insurance Required“ zwischen den unzähligen Ländern entdeckt werden.

Microsoft

Microsoft wandte bei der Einführung von Windows 10 die „Bait and Switch“-Methode der Dark Patterns an, um Nutzer dazu zu bringen, auf die neueste Version zu aktualisieren. Das Unternehmen deklarierte Windows 10 als „notwendiges Update“ im Update Center, obwohl es gar nicht notwendig war. Das löste einige Proteste und Unruhen bei den Nutzern aus und schlug unter der Bezeichnung „Upgrade Gate“ große Wellen.

Weitere interessante Dark-Patterns-Beispiele sammelt der UX-Designer Harry Brignull in seiner Dark-Patterns-„Hall of Shame“ auf Twitter.

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