Joint Venture
Unternehmen – selbst Konkurrenten – arbeiten häufig eng zusammen. Sie nutzen Synergien oder schaffen diese selbst, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Das erfolgt nicht nur lokal, in kleinem Rahmen, sondern weltweit, über Staatsgrenzen hinweg. Das Joint Venture zählt zu den etablierten Formen unternehmerischer Kooperation.
Die Geschichte des Joint Ventures lässt sich bis in die 1920er Jahre zurückverfolgen. Zunächst machten vor allem amerikanische Unternehmen davon Gebrauch; Geschäftsleute in anderen Exportnationen folgten deren Beispiel jedoch bald. So verbreitete sich das Joint Venture nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weltweit. Der Begriff Joint Venture erhielt dann in den 1990er Jahren einen erheblichen Popularitätsschub im Zuge der Öffnung des osteuropäischen und des chinesischen Marktes.
Was ist ein Joint Venture?
Besonders gut verständlich wird die Joint-Venture-Definition, wenn man sich zunächst die Ursprünge des Begriffs vergegenwärtigt: Der Anglizismus „Joint Venture“ bedeutet übersetzt so viel wie „gemeinsames Wagnis“ oder schlicht: „gemeinsames Vorhaben“. Und das trifft den Kern bereits ziemlich genau. In der Praxis bedeutet Joint Venture, dass zwei oder mehrere Unternehmen, die sowohl juristisch als auch finanziell voneinander unabhängig sind, miteinander kooperieren. Die Partner bleiben weiterhin eigenständig, bündeln aber Kräfte und Ressourcen in gewissem Rahmen, um gemeinsam spezifische Projekte umzusetzen und Geschäftsziele zu erreichen.
Dabei tragen die Partner sowohl die Führungsverantwortung als auch das finanzielle Risiko gemeinschaftlich und teilen im Erfolgsfall den aus der Kooperation erzielten Gewinn sowie bei Misserfolg die daraus resultierenden Verluste untereinander auf. Der Umfang des Mitspracherechts sowie der Gewinnanteil richten sich üblicherweise nach der Höhe der finanziellen Beteiligung, die die Partner jeweils in das gemeinsame Vorhaben einbringen.
Bei einem Joint Venture arbeiten mindestens zwei voneinander unabhängige Unternehmen strategisch eng zusammen, um spezifische Ziele zu erreichen. Zu diesem Zweck gründen sie entweder ein Tochterunternehmen oder regeln die Zusammenarbeit vertraglich, ohne ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen.
Prominente Beispiele
Die langjährige Kooperation von BMW mit dem chinesischen Autohersteller Brilliance zählt zu den bekanntesten Joint-Venture-Beispielen. Die Partner betreiben zwei chinesische Werke, in denen mehrere BMW-Modelle gefertigt werden, sowie eine Motorenfabrik. Auch der größte europäische Flugzeughersteller Airbus und der kanadische Zug- und Flugzeugbauer Bombardier arbeiten im Rahmen eines Joint Ventures zusammen. Dessen Kerninhalt sind Produktion und Vertrieb des Mittelstreckenjets der C-Serie.
Welche Arten von Joint Ventures gibt es?
Bei einem sogenannten Equity Joint Venture (EJV) gründen die Partner ein gemeinsames Tochterunternehmen, sprich: eine rechtlich eigenständige Drittgesellschaft, üblicherweise in Form einer Kapitalgesellschaft. Das schließt eine unbegrenzte finanzielle Haftung der einzelnen Partner aus. „Equity“ lässt sich hier mit „Firmenkapital“ übersetzen. Die Partner bringen, wie zuvor geschildert, jeweils Kapital in das Gemeinschaftsunternehmen ein. Sie teilen sich die Führungsfunktionen und tragen das finanzielle Risiko der Investition bzw. des jeweiligen Projekts gemeinsam.
Sofern die Kapitalanteile gleich verteilt sind, spricht man von einem paritätischen Joint Venture (von lat. paritas = Gleichheit). Ist dies nicht der Fall und dominiert einer der Partner, spricht man von einem Mehrheits-Joint-Venture. Diese Variante wird mitunter gewählt, um Entscheidungsprozesse zu vereinfachen oder um einen (zu) einseitigen Wissenstransfer zulasten des Mehrheitsgesellschafters einzudämmen. Natürlich ist es bei einer derartigen Ausgestaltung unabdingbar, adäquate Mitentscheidungsrechte zu etablieren – bis hin zu entsprechenden Vetorechten der Minderheitsgesellschafter.
Bei oben genanntem Airbus-Bombardier-Joint-Venture handelt es sich übrigens um eine solche Mehrheitskonstruktion: Airbus hielt bei Gründung 50,01 Prozent an der gemeinsamen Gesellschaft; Bombardier hingegen 31 Prozent.
Sonderform: Contractual Joint Venture
Im Gegensatz zum Equity Joint Venture gründen die Partner bei einem sogenannten Contractual Joint Venture (CJV) keine gemeinsame Tochterfirma und schaffen somit keine eigenständige juristische Person. Hier regeln allein Verträge (engl. contracts) die Verteilung von Kosten, Risiken und Gewinn zwischen den beteiligten Unternehmen. Vorteile des Contractual Joint Venture: Die Gründungskosten sind geringer, die vertraglichen Grundlagen lassen sich flexibler gestalten, Gewinne und Verluste lassen sich frei verteilen, ebenso die Stimmrechte. Bei dieser Konstruktion haften die Partnerunternehmen auch nicht zwingend mit ihrer Kapitaleinlage, können allerdings direkt haftbar gemacht werden.
Welche Motive gibt es für ein Joint Venture?
Die Kooperationsform des Joint Ventures eignet sich besonders gut, um Großprojekte umzusetzen, die für ein Unternehmen allein nur schwer oder überhaupt nicht zu schultern sind. Auch, um im Wettbewerb gegenüber der Konkurrenz besser aufgestellt zu sein, kann eine solche Zusammenarbeit hilfreich sein. Zudem ist sie oft Mittel der Wahl, um neue Märkte zu erschließen – z. B. mithilfe eines lokalen Partners – oder wenn es schlicht darum geht, gemeinsame Interessen gegenüber Dritten durchzusetzen.
Oft verfolgen Unternehmen, die ein Joint Venture eingehen, langfristige Ziele; dazu zählen nicht selten Produktneuentwicklungen oder Grundlagenforschung. Auch mittelständische Betriebe, die sich international aufstellen möchten, wählen häufig diesen Weg. Gemeinsam lassen sich Versorgungsketten effizienter gestalten und Marktrisiken abschwächen oder sogar vermeiden.
Die Partner ergänzen sich im besten Fall in puncto Fähigkeiten, Infrastruktur und Ressourcen und steuern verschiedenste Assets bei, wie Betriebsanlagen an verschiedenen Standorten, Grundstücke, qualifizierte Arbeitskräfte, einschlägiges Fachwissen, eine ausgewiesene Marktkenntnis, wichtige Kontakte oder spezifische Management-Skills.
Bedingung für den Marktzugang
Nicht nur in den westlichen Industrienationen, sondern auch in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenländern gehen viele Unternehmen Joint Ventures ein. Auf manchem streng reglementierten Markt ist eine Kooperation ausländischer Investoren mit einem oder mehreren inländischen Unternehmen sogar eine staatlich verordnete Voraussetzung, die für den Marktzugang zu erfüllen ist (siehe BMW und Brilliance in China). Manchmal gilt dies auch nur für bestimmte Branchen.
Auf diese Weise wird eine ursprünglich freiwillige Form der Kooperation zu einer staatlich verordneten Bedingung. Je verlockender der jeweilige Absatzmarkt erscheint, desto größer ist naturgemäß der Anreiz, eine solche „Zweckehe“ dennoch einzugehen.
Welche Vorteile hat ein Joint Venture?
Um die Erfolgschancen eines Joint Ventures zu verbessern, sollten alle Partner ihre Ziele und Erwartungen klar kommunizieren und sorgfältig aufeinander abstimmen. Im Sinne einer langfristigen und nachhaltigen Zusammenarbeit sollte nicht zuletzt auch die „Chemie“ zwischen den Partnern stimmen.
Wie oben skizziert, liegen die Vorteile der Kooperation vor allem in einer Stärkung der Position im Wettbewerb und einer Verringerung bzw. Verteilung der Risiken auf mehrere Schultern. Nicht jeder Partner muss in jedem Bereich ein einschlägiger Experte sein; stattdessen werden Finanzen, Fachwissen und weitere Ressourcen zum gemeinsamen Vorteil gebündelt. Die Partner kombinieren ihre Stärken und gleichen dadurch individuelle Schwächen aus. Sie nutzen gemeinsame Versorgungs-, Fertigungs- und Vertriebsstrukturen und vermeiden somit unnötige und teure Parallelstrukturen, in die sie als Einzelkämpfer investieren müssten.
Welche Nachteile und Risiken birgt ein Joint Venture?
Wenn Unternehmen sich zusammenschließen und Ressourcen teilen, besteht natürlich die Gefahr, dass Firmeninterna und kritisches Know-how zu einem Partner „abfließen“, der zugleich auch Konkurrent ist. Nutzen und Risiken sollten deshalb im Vorfeld genau abgewogen werden. Im besten Fall findet ein gleichwertiger Austausch von Ressourcen statt, die gemeinsam eingesetzt werden und letztlich allen Beteiligten zugutekommen.
Je mehr Partner sich beteiligen, desto komplexer gestalten sich allerdings mitunter die Führung und Steuerung der gemeinsamen Projekte. Der allgemeine Koordinationsaufwand wird häufig unterschätzt. Auch kulturelle Unterschiede können zu Komplikationen führen, wenn Partner mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenarbeiten. Gelingt die Abstimmung nicht, drohen Instabilität und Misserfolg. In jedem Fall sollten alle Partner dem gemeinsamen Projekt stets die gleiche Bedeutung beimessen, um Schieflagen zu vermeiden.
Wie lässt sich ein Joint Venture gründen? Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen?
Ein Joint Venture wird in der Regel nach dem Gesellschaftsrecht des Staates gegründet, in dem es seinen Hauptsitz hat. Daher ist es entscheidend, zunächst das Unternehmenskonzept, die Standortfrage sowie den oder die Zielmärkte zu definieren und, sofern zutreffend, die Produktpalette und Produktionskapazitäten festzulegen. Ebenso grundlegend ist es natürlich, die Kooperationspartner sorgsam auswählen – schließlich müssen die Ziele übereinstimmen. Es gilt zudem, eventuelle Konflikte zwischen einem möglichen Gemeinschaftsunternehmen und den Mutterunternehmen in Bezug auf Zielmärkte, Vermarktungswege sowie Wettbewerbsfragen auszuschließen.
Basics
Nachdem diese Fragen geklärt sind, müssen sich die Unternehmen im Hinblick auf die Finanzierung und das Investitionsvolumen einigen. Auch der Umgang mit dem einzubringenden Know-how sowie ggf. Lizenzen und Patenten ist unter den Partnern abzustimmen. Faktoren wie die Personalzuweisung, die Besetzung der Führungsorgane sowie die Aufgabenverteilung im Management sollten ebenfalls frühzeitig erörtert werden, damit die Aufbau- und die Produktionsphase geordnet anlaufen können.
Standort
Des Weiteren sind die Bedingungen am gewünschten Standort im Vorfeld genau zu prüfen. Dazu zählen neben den konkreten Investitionsbedingungen steuerrechtliche, zivilrechtliche, wirtschaftsrechtliche, verwaltungsrechtliche und politische Fragen. Faktoren wie das Lohnniveau und der Zugang zu den benötigten Vertriebskanälen kommen hinzu. Maßgeblich vom Standort abhängig ist die Wahl der Rechtsform des Joint Ventures.
Rechtsform
Soll es sich um ein eigenständiges und rechtsverbindlich nach außen handlungsfähiges Gemeinschaftsunternehmen handeln, das operativ tätig werden kann? Dann ist die Gründung eines Equity Joint Ventures das Mittel der Wahl. Während dafür international häufig eine Aktiengesellschaft (AG) als selbstständige Form der Kapitalgesellschaft gegründet wird, bevorzugen viele Joint Ventures in Deutschland die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH): Sie lässt viel Freiheit bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags. Zudem macht sie – ebenso wie die AG – die Gesellschafter nur begrenzt finanziell haftbar. Die GmbH hat allerdings den Nachteil, dass sie im anglo-amerikanischen Rechtskreis nicht als eigenständige Form der Kapitalgesellschaft anerkannt ist.
Da Gesellschaftsverträge in Deutschland im Handelsregister veröffentlicht werden müssen und somit für jedermann einsehbar sind, schließen die beteiligten Partnerunternehmen üblicherweise zusätzlich einen Joint-Venture-Vertrag miteinander. In diesem regeln sie sämtliche Rechte und Pflichten, die nicht für die Augen der Öffentlichkeit gedacht sind. Dazu zählen beispielsweise konkrete Förder- und Zahlungsverpflichtungen der Partner.
Ist die Gründung eines eigenständigen, rechtsverbindlich nach außen handlungsfähigen Gemeinschaftsunternehmens nicht erforderlich oder nicht gewünscht, schließen die Partner hingegen einen schuldrechtlichen Vertrag (auch: Konsortialvertrag), der die gegenseitigen Rechte und Pflichten regelt. Sie gründen somit ein Contractual Joint Venture.
Nach deutschem Recht entsteht dadurch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (auch „Innengesellschaft“ genannt). Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt dazu Näheres in den §§ 705 bis 740. Die Gesellschaft selbst nimmt nicht am Rechtsverkehr teil – dies obliegt weiterhin den einzelnen Gründungspartnern.
Schematischer Ablauf einer Equity-Joint-Venture-Gründung
Der Ablauf kann je nach Gründungsland variieren, daher an dieser Stelle nur ein Überblick über typische Stationen. In jedem Fall müssen vorgegebene Registrierungsfristen eingehalten werden.
Die potenziellen Partner sondieren zunächst in Vorverhandlungen die Ziele und Aufgaben, Kapitalanteile und Standortfragen, ehe sie sich über den Joint-Venture-Vertrag selbst sowie über die Satzung des Gemeinschaftsunternehmens verständigen. Eine anschließende Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) steckt grob die Erfolgsaussichten ab und erlaubt zudem den je nach Gründungsland ggf. einzubeziehenden Ämtern, die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu beurteilen. Daraufhin folgen der Antrag auf Genehmigung des Joint Ventures sowie der Antrag auf Genehmigung des Firmennamens. Nach Erteilung einer Geschäftserlaubnis sind ggf. weitere Registereinträge – z. B. bei den Steuerbehörden – erforderlich, damit das Gemeinschaftsunternehmen Rechtsfähigkeit erlangt.
Wie bezahlt ein Joint Venture Steuern?
Auch die Antwort auf diese Frage ist eng mit der Form des Joint Ventures sowie mit der Standortwahl verknüpft – also mit dem vor Ort gültigen Steuer- und Abgabenrecht, nach dem sich die Höhe der Besteuerung von Ertrag, Verbrauch und Substanz richtet. Als eigenständiges, rechtsverbindlich handelndes Unternehmen gelten für ein Equity Joint Venture die jeweiligen Regeln der Unternehmensbesteuerung. Bei einem Contractual Joint Venture bleiben die Mutterunternehmen hingegen selbst in der Pflicht.
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