Nachschusspflicht: Definition und Erläuterung
Zum Vermögen einer GmbH und ihrer „kleinen Schwester“, der Unternehmergesellschaft, gehört das Stammkapital, das die Gesellschafter zur Verfügung stellen und damit zu Teilhabern werden. Unter bestimmten Umständen können aber darüber hinaus auch noch weitere Einzahlungen erforderlich werden. Diese Nachschusspflicht sieht gegebenenfalls der Gesellschaftsvertrag vor. Auch unter anderen Umständen kann es eine Nachschusspflicht geben – bei einer eingetragenen Genossenschaft beispielsweise im Fall einer Insolvenz oder bei einer Geldanlage.
Nachschusspflicht-Definition für das Gesellschaftsrecht
Als „Nachschusspflicht“ bezeichnet man allgemein die Pflicht, Verluste durch zusätzliche Zahlungen auszugleichen. Sie ist zumeist vertraglich geregelt, kann aber auch gesetzlich vorgeschrieben sein. Nachschusspflichten sind im Gesellschaftsrecht, aber auch in der Finanzwelt bekannt.
Als Kapitalgesellschaft verfügt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) über Stammkapital, in das alle ihre Gesellschafter anteilig eingezahlt haben. Vergleichbares gilt für die leichter zu gründende, aber ähnlich geartete Unternehmergesellschaft (UG).
Wie es im „Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ (GmbHG) heißt, kann es der Gesellschaftsvertrag einer GmbH den Gesellschaftern erlauben, per Beschluss Nachschüsse über die Höhe der Geschäftsanteile hinaus zu verlangen. In diesem Fall haben die Gesellschafter dann eine Nachschusspflicht (§ 26 GmbHG). Vorstellbar sind ganz unterschiedliche Szenarien, die eine Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH erforderlich machen. Dies kann etwa der Fall sein, um zusätzliches Wachstum der Gesellschaft zu finanzieren oder um eine Krise abzuwenden und das Überleben der Firma zu sichern. Jedenfalls fordert das Gesetz, dass sich die Höhe der einzelnen Zahlungen nach den Geschäftsanteilen richtet. Wer also zum Beispiel 20 Prozent des Stammkapitals eingezahlt hat, muss auch 20 Prozent des Nachschusses aufbringen.
Bei der UG gibt es darüber hinaus noch eine besondere Art der Nachschusspflicht: Eine solche Gesellschaft lässt sich mit nur einem Euro Startkapital ins Leben rufen. Ihre Gesellschafter sind allerdings dazu verpflichtet, jährlich mindestens so lange ein Viertel ihres effektiven Jahresüberschusses in eine Rücklage einzuzahlen, bis sie als Stammkapital insgesamt den für eine GmbH vorgeschriebenen Betrag von 25.000 Euro beträgt. (Damit wird eine UG übrigens automatisch zu einer normalen GmbH, kann aber ihre ursprüngliche Bezeichnung weiterführen – § 5a GmbHG).
Zwei Arten der Nachschusspflicht
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der beschränkten Nachschusspflicht und der unbeschränkten Nachschusspflicht. Bei der ersten Variante legt der Gesellschaftsvertrag fest, wie hoch die einzuzahlenden Beträge im Verhältnis zu den Geschäftsanteilen höchstens sein dürfen, bei der zweiten gibt es diese Grenze nicht. Für die zwei Varianten sieht das Gesetz unterschiedliche Regelungen für den Fall vor, dass ein Gesellschafter seine Nachschusspflicht nicht erfüllen kann oder will.
Beschränkte Nachschusspflicht
Wenn ein Gesellschafter einer Zahlungsaufforderung im Rahmen einer beschränkten Nachschusspflicht nicht rechtzeitig nachkommt, dann droht ihm, falls der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, eine empfindliche Strafe – die sogenannte Kaduzierung (§ 28 GmbHG): Wie bei der Einzahlung der Stammeinlage verliert der Gesellschafter nach einer erfolglosen Mahnung mit Nachfrist seinen Geschäftsanteil an die Gesellschaft – einschließlich etwaiger bereits geleisteter Teilzahlungen. Zudem schuldet der Gesellschafter der Gesellschaft weiterhin den noch offenen Nachschussbetrag.
Wenn der säumige Gesellschafter seinen Geschäftsanteil zuvor von jemandem anderen übernommen hat, dann haftet auch dieser Rechtsvorgänger für den offenen Betrag. Er kann aber gegen Zahlung dieses Betrags den Geschäftsanteil erwerben. Wenn sich auch kein Rechtsvorgänger findet, der den Betrag bezahlt, kann die Gesellschaft den Geschäftsanteil öffentlich versteigern (§§ 21–23 GmbHG).
Unbeschränkte Nachschusspflicht
Bei der unbeschränkten Nachschusspflicht können die Gesellschafter einer GmbH theoretisch per Beschluss beliebig hohe Einzahlbeträge verlangen. Da dies einzelne von ihnen in den Ruin treiben könnte, sieht das Gesetz dafür einen weniger strengen Ausweg vor: das Preisgaberecht (auch Abandonrecht genannt – vom englischen „to abandon“ = preisgeben): Sofern ein Gesellschafter seine Stammeinlage vollständig eingezahlt hat, kann er innerhalb eines Monats der Verpflichtung zur Nachschusszahlung entgehen, indem er den Betrag aus seiner Einlage aufbringt (und insoweit auf seinen Geschäftsanteil verzichtet). Wenn beides – die Einzahlung und die Preisgabe – unterbleibt, kann die Gesellschaft auch von sich aus auf die betreffende Einlage zugreifen. Anschließend muss der Geschäftsanteil jeweils öffentlich versteigert werden.
Damit ist der Gesellschafter zwar von der Nachschusspflicht befreit, aber auch nicht mehr Teilhaber der Gesellschaft. Die durch die Auktion eingenommene Geldsumme wird dazu verwendet, den Nachschuss aufzubringen. Immerhin erhält der ausscheidende Gesellschafter einen etwaigen Überschuss: Was zur Deckung des Nachschusses gebraucht wird, fließt in die Gesellschaft, der Rest wird an den nun ehemaligen Gesellschafter ausgezahlt (§ 27 GmbHG).
Die Kaduzierung kann in erster Linie erfolgen, wenn ein Gesellschafter nicht rechtzeitig die Stammeinlage aufbringt, zu der er sich verpflichtet hat.
Andere Nachschusspflichten
Auch bei der eingetragenen Genossenschaft (eG) gibt es eine Nachschusspflicht über die Einlagen der Mitglieder hinaus, aber nur unter außergewöhnlichen Umständen, nämlich bei einer Insolvenz. Laut Genossenschaftsgesetz müssen die Mitglieder Nachschüsse leisten, wenn die Insolvenzmasse zu gering ist, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Diese Pflicht lässt sich aber in der Satzung der Genossenschaft beschränken oder ganz ausschließen (§ 105 GenG).
Im Finanzwesen sind ebenfalls Nachschusspflichten üblich. So muss zum Beispiel der Kreditnehmer bei einem sogenannten Lombardkredit, für den Wertpapiere als Sicherheit dienen, zusätzlich Sicherheit leisten, also nachschießen, wenn der Kurswert der als Sicherheit dienenden Wertpapiere unter den offenen Kreditbetrag fällt. Bei manchen Optionspapieren, die mit einem „Hebel“ arbeiten, das heißt, deren Gewinn- oder Verlustchancen größer sind als die des zugrundeliegenden Finanzinstruments, kann die Nachschusspflicht ins Extreme ausarten. Vor einigen Jahren wurde ein Fall bekannt, bei dem jemand 2.800 Euro auf Währungsdifferenzen setzte und aufgrund unglücklicher Umstände einen Verlust von 280.000 Euro auszugleichen hatte.
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