OHG – wer haftet?
Wer haftet bei einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) für Ansprüche Dritter? Am Ende müssen die Gesellschafter wie bei allen Personengesellschaften persönlich mit ihrem gesamten Vermögen (bis zur Pfändungsgrenze) für Forderungen gegen die Gesellschaft einstehen (§ 128 HGB). Trotzdem kann man bei Haftungsfragen im Zusammenhang mit einer OHG zwischen zwei Fällen unterscheiden:
- OHG als Haftungssubjekt
- OHG-Gesellschafter als Haftungssubjekte
Dabei ist ein Haftungssubjekt das Ziel des Anspruchs eines Gläubigers.
Die OHG als Haftungssubjekt
Die offene Handelsgesellschaft besitzt zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit (ist keine „juristische Person“). Aber sie ist gemäß Handelsgesetzbuch parteifähig (§ 124 Abs. 1 HGB) und kann unter dem im Handelsregister eingetragenen Firmennamen (juristisch: „Firma“) …
- als rechtlich selbstständige Einheit auftreten,
- Rechte und Pflichten erwerben,
- Eigentum besitzen,
- Verbindlichkeiten eingehen und
- vor Gesicht klagen und verklagt werden.
Ansprüche gegen die OHG sind von Ansprüchen gegen die OHG-Gesellschafter rechtlich getrennt. Wenn ein Gläubiger eine Forderung gegenüber der OHG hat, dann ist die Gesellschaft das Haftungssubjekt. Eine etwaige Zwangsvollstreckung richtet sich gegen das Gesellschaftsvermögen der OHG, und dazu ist auch ein Schuldtitel erforderlich, der sich direkt gegen die OHG richtet (§ 124 Abs. 2 HGB). Mit einem Titel gegen alle Gesellschafter lassen sich – anders als bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gemäß Zivilprozessordnung (§ 736 ZPO) – Forderungen gegen die Gesellschaft nicht durchsetzen. Eine Zwangsvollstreckung gegen Gesellschafter ist hier bei einem auf die Gesellschaft gerichteten Schuldtitel nicht möglich (§ 129 HGB).
OHG-Gesellschafter als Haftungssubjekt
Wie erwähnt haften alle Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten der OHG, und zwar …
- primär und unmittelbar
- unbeschränkt und
- gesamtschuldnerisch.
Dies lässt sich auch nicht durch Vereinbarungen gegenüber Dritten einschränken. Aufgrund der primären, unmittelbaren Haftung kann sich ein Gläubiger einer OHG mit seiner Forderung direkt an die OHG-Gesellschafter wenden, ohne vorher die Gesellschaft in Anspruch nehmen zu müssen. Insoweit sind die Gesellschafter also Haftungssubjekte. Allerdings können sie sich weigern zu zahlen, wenn die OHG das Recht hat, das zugrundeliegende Rechtsgeschäft anzufechten, oder sich die Forderung gegen eine fällige Forderung der Gesellschaft aufrechnen lässt (§ 129 Abs. 2 und 3 HGB). Das heißt, die Rechtmäßigkeit der Forderung an den Gesellschafter ergibt sich aus dem Rechtsverhältnis gegenüber der Gesellschaft.
Die gesamtschuldnerische Haftung hat zur Folge, dass jeder Gesellschafter der OHG notfalls nicht nur für einen Teil der Verbindlichkeit, sondern für die gesamte Forderung geradestehen muss. Der Gläubiger darf die Leistung jedoch nur einmal einfordern.
Ein Gesellschafter, der die Forderung eines Gläubigers der OHG befriedigt, kann sich von der Gesellschaft für die einsprechenden Aufwendungen entschädigen lassen (§ 110 Abs. 1 HGB). Aufgewendetes Geld muss die OHG dem Gesellschafter verzinst zurückzahlen.
In der Praxis empfiehlt es sich, als Gläubiger Forderungen sowohl gegen die OHG als auch gegen deren Gesellschafter zu betreiben. Im Fall einer Zwangsvollstreckung werden separate Schuldtitel benötigt, um in die Vermögen der unterschiedlichen Rechtssubjekte OHG und Gesellschafter vollstrecken zu können.
Besonderheiten bei der Haftung von OHG-Gesellschaftern
In Bezug auf die Haftung von OHG-Gesellschaftern sieht der Gesetzgeber besondere Regelungen vor, wenn Gesellschafter die OHG verlassen, wenn sie eintreten oder wenn die Gesellschaft aufgelöst wird.
Eintritt eines neuen Gesellschafters
Tritt ein Gesellschafter in eine bestehende OHG ein, haftet er für alle vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit (§ 130 HGB).
Austritt eines Gesellschafters
Tritt ein Gesellschafter aus der OHG aus, haftet er fünf Jahre nach dem Austritt für alle Verbindlichkeiten weiter (§ 160 HGB), die während und vor seiner Mitgliedschaft entstanden sind, – eventuell auch länger, wenn Rechtsverfahren anhängig sind. Dabei soll der Austritt als vollzogen gelten, wenn die Person aus dem Handelsregistereintrag der OHG ausgetragen ist. Dazu hat der Bundesgerichtshof noch entschieden, dass, falls kein entsprechender Eintrag vorgenommen wird, die Frist beginnt, sobald die Gesellschaft als Gläubiger von dem Ausscheiden des Gesellschafters weiß. (Aktenzeichen: II ZR 284/05 BGH)
Haftung nach Auflösung der OHG
Auch wenn – etwa durch Beschluss der Gesellschafter – eine OHG aufgelöst wird, haften sie weiterhin mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Diese Haftung dauert normalerweise ebenfalls fünf Jahre lang.
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