Ansoff-Matrix – was ist das eigentlich?
Wie soll es für Ihr Unternehmen in Zukunft weitergehen? „Wachsen“ ist sicherlich keine schlechte Antwort, aber Wachstum ist nicht gleich Wachstum. Das hat sich auch Igor Ansoff 1957 gedacht und das nach ihm benannte Konzept entwickelt. Die Ansoff-Matrix, auch als „Produkt-Markt-Matrix“ bekannt, gibt Geschäftsführern und Managern die Möglichkeit, die Art des Wachstums besser zu bestimmen. Entscheider behalten mit diesem vergleichbar simplen Werkzeug die Wachstumsstrategie eines Unternehmens im Blick.
Die Ansoff-Matrix und dessen deutsche Begriffe
Grundsätzlich handelt es sich bei der Ansoff-Matrix um eine Tabelle. Vier verschiedene Kategorien lassen vier Kombinationen zu. Die Spalten beziehen sich auf die Produkte oder Dienstleistungen Ihres Unternehmens und können in ‚Bestehend‘ und ‚Neu‘ kategorisiert werden. Die Zeilen spiegeln wiederum die Märkte wider. Auch hier unterscheidet die Matrix zwischen Märkten, in denen Ihr Unternehmen bereits aktiv ist, und solchen, die Sie sich neu erschließen können.
Ausgehend davon, welche Neuerungen – falls überhaupt – für Sie in Frage kommen, lassen sich also unterschiedliche Strategien definieren.
Die Ansoff-Matrix ist eine Tabelle, die verschiedene Wachstumsstrategien für Unternehmen darstellt. Durch die Kombination der beiden Faktoren ‚Produkt‘ und ‚Markt‘ sowie der Zustände ‚neu‘ und ‚aktuell‘ ergeben sich vier verschiedene Ansoff-Strategien.
Marktdurchdringung
Sie wollen weder neue Produkte oder Dienstleistungen in Ihr Portfolio aufnehmen noch neue Märkte angreifen? Dann ist die Marktdurchdringung die richtige Strategie für Ihr Unternehmenswachstum. Das Wachstum entsteht hierbei dadurch, dass man der Konkurrenz im bestehenden Markt mehr Kunden abnimmt. Außerdem gehört es zu dieser Strategie, den Absatz beim bestehenden Kundenstamm zu erhöhen, also Ihre Kunden zu häufigeren Käufen zu motivieren. Für beide Faktoren ist es notwendig, neue Marketingstrategien einzusetzen. Der Einsatz einer angepassten Preispolitik erzielt ebenfalls gute Ergebnisse. Besonders zur Steigerung des Absatzes bei Bestandskunden empfiehlt sich zudem eine Verkäuferschulung.
Selbst wenn man zusätzlich neue Kunden in dem Markt für sich begeistern kann, ist das Wachstum mittels Marktdurchdringung begrenzt, da die Anzahl der Kunden innerhalb eines Marktes limitiert ist. Um das Wachstumspotenzial Ihres Unternehmens mit dieser Strategie zu ermitteln, sollten Sie deshalb zunächst Ihren Marktdurchdringungsgrad kennen. Diesen erhalten Sie, indem Sie Ihre bestehenden Kunden durch die Menge aller potenziellen Kunden in dem Markt teilen:
Marktentwicklung
Anders sieht es bei der Marktentwicklung aus: Diese Ansoff-Strategie ist die richtige, wenn Sie bei Ihrem bestehenden Produktportfolio bleiben möchten, aber neue Märkte angreifen können. Das bedeutet z. B. eine weitere geografische Region zu erschließen oder aber die Zielgruppe zu erweitern. Um mit der Marktentwicklung ein effektives Wachstum zu erreichen, ist ein hoher Marketingaufwand notwendig – noch mehr als bei der Marktdurchdringung. Durch den hohen finanziellen Einsatz birgt diese Strategie ein gewisses Risiko.
Produktentwicklung
Wenn Sie sich mit einem neuen Produkt auf einem bereits für Sie bestehenden Markt etablieren, kommt die Wachstumsstrategie „Produktentwicklung“ zum Einsatz. Dabei haben Sie zwei verschiedene Optionen: Entweder Sie entwickeln ein komplett neues Produkt für Ihre Zielgruppe oder Sie stellen eine Variante eines Produkts her, das Sie bereits verkaufen.
Wenn Sie dabei auf Feedback der Kunden eingehen, können Sie das neue oder veränderte Produkt besser an die Zielgruppe anpassen. Die Kosten für diese Strategie sind vergleichsweise hoch, denn die Entwicklung von neuen Produkten oder auch Dienstleistungen ist aufwendig. Auch hier gibt es ein Risiko: Ob die Innovation am Markt Erfolg hat, zeigt sich erst nach der Veröffentlichung.
Diversifikation
Schließlich können Sie auch mit einem neuen Produkt einen ganz neuen Markt angreifen. Diese Strategie birgt das höchste Risiko, kann aber zugleich den größten Erfolg bedeuten. Neben einem gesteigerten Absatz können Sie mit dieser Strategie auch neue Kundengruppen für Ihr Unternehmen erschließen. Zudem hilft Diversifikation bei der Risikostreuung: Statt auf ein einziges Produkt oder auf einen bestimmten Markt zu setzen, haben Sie mit dieser Wachstumsstrategie gleich mehrere Zugpferde für Ihren Erfolg. Diese vierte Strategie der Ansoff-Matrix lässt sich wiederum in drei Arten unterteilen. Die Wahl der richtigen Strategie ist abhängig von Ihrer Risikobereitschaft.
Horizontale Diversifikation
Bei dieser Art der Diversifikation erweitern Sie Ihr Portfolio um einen Artikel, der in einem Ähnlichkeitsverhältnis zu einem bereits bestehenden Produkt steht. Dies hat den Vorteil, dass Ihr Unternehmen auf diesem Gebiet bereits Expertise hat und Sie vorhandene Prozesse ausnutzen. Man spricht mit den neuen Produkten sowohl neue Kundengruppen als auch bereits bekannte Käufer an, bei denen man einen weiteren Bedarf deckt. Im Vergleich zu anderen Diversifikationsmaßnahmen stellt die horizontale Diversifikation ein geringes Risiko dar: Sie bewegen sich in einem Feld, das Sie bereits kennen – so können Sie Fehlentscheidungen besser vermeiden.
Vertikale Diversifikation
Bei der vertikalen Diversifikation geht es weniger um die Erweiterung der Produktpalette, sondern vielmehr um die Ausdehnung der Wertschöpfungskette. Sie können z. B. den Vertrieb Ihrer Waren selbst übernehmen (Vorwärtsintegration) oder weitere Schritte des Herstellungsprozesses selbst in die Hand nehmen (Rückwärtsintegration). So machen Sie sich weniger abhängig von Zulieferern oder Händlern. Außerdem können die zusätzlichen Leistungen auch an andere Abnehmer weiterverkauft werden. Um neue Produktionsstätten oder Ladenlokale aufzubauen, müssen Sie einiges investieren, was zu einem erhöhten Risiko führt.
Laterale Diversifikation
Das größte Risiko gehen Sie mit einer lateralen Diversifikation ein: Statt sich auf das bisher bestehende Geschäft zu konzentrieren und dieses zu erweitern, gehen Sie komplett neue Wege. Mit einem ganz anderen Produkt, was in keinem Verhältnis zu bereits angebotenen Produkten steht, platzieren Sie sich in einem neuen Markt. Bei dieser Wachstumsstrategie wenden Sie sich einer komplett neuen Branche zu, in der Sie noch keinerlei Expertise haben. Dieses Vorgehen ist mit großen Kosten verbunden und Unternehmer können nur schwer abschätzen, ob der Vorstoß auch von Erfolg gekrönt sein wird. Deshalb ist die laterale Diversifikation auch nur zu empfehlen, wenn Ihr Unternehmen einen großen Fehlschlag auffangen kann.
So funktioniert die Ansoff-Matrix: Beispiel für ein Unternehmenswachstum
In unserem Beispiel gehen wir von einer erfundenen Metzgerei Lecker aus, die gern wachsen möchte. Wir spielen eine Ansoff-Strategie nach der anderen durch und zeigen, welche Schritte die Firma unternehmen muss, um zu wachsen. Bisher hat die Metzgerei einen Standort mit angeschlossenem Ladenlokal. Als noch kleines Unternehmen möchte Lecker zunächst wenig Risiko eingehen und entscheidet sich als erstes für die Marktdurchdringung. Deshalb schwört die Geschäftsführerin die Verkäufer im Verkaufsraum darauf ein, Kunden grundsätzlich auch auf weitere Waren hinzuweisen. Außerdem führt man regelmäßige Rabatt-Aktionen ein, die aus Laufkundschaft Stammkunden machen soll. Weder der Markt noch die Produktpalette haben sich erweitert, aber mit schlauen Marketingstrategien kann das Unternehmen seinen Absatz steigern.
Um weiter wachsen zu können, geht die Geschäftsführerin nun einen weiteren Schritt und eröffnet ein zusätzliches Ladenlokal im Nachbarort. Dort werden die gleichen Waren verkauft. Das Risiko durch die Marktentwicklung ist etwas höher, denn das Unternehmen kann nicht absehen, ob das Angebot in dem neuen Markt genauso gut ankommt. Wenn der neue Markt gesichert ist, kann das Unternehmen über eine Produktentwicklung nachdenken. Zusätzlich zu den bereits angebotenen Fleisch- und Wurstwaren verkauft das Unternehmen nun auch eine sehr scharf gewürzte Wurst. Da man die komplette bestehende Infrastruktur weiter nutzt, kann die Geschäftsführerin das Risiko gering halten. Sie schafft es, bei einem gleichbleibenden Markt durch ein neues bzw. angepasstes Produkt mehr Umsatz zu generieren.
Schließlich ist Lecker gewachsen, hat neue Märkte erobert und die Produktpalette erweitert. Nun ist genügend Rücklage erwirtschaftet, dass man auch größere Risiken für das Wachstum eingehen kann. Deshalb entscheidet sich die Geschäftsführerin für Diversifikation als Strategie – und zwar zunächst für die horizontale Diversifikation, also dafür, die Bandbreite zu erweitern. Man beschließt, auch vegetarische Würste ins Angebot aufzunehmen. Lecker führt also ein neues Produkt auf einem neuen Markt ein, dem Markt für Vegetarier.
Der nächste Schritt lautet für Lecker die vertikale Diversifikation. Die Geschäftsführerin möchte sowohl Vorwärts- als auch Rückwärtsintegration betreiben. Deshalb entscheidet sie sich, einen eigenen Bauernhof zu gründen, um dort Viehwirtschaft zu betreiben. Außerdem gründet Lecker ein eigenes Restaurant. So ist man weniger abhängig vom Zulieferer und übernimmt auch noch einen neuen Vertriebskanal der eigenen Produkte.
Schließlich ist Zeit für die laterale Diversifikation: Die Geschäftsführerin von Lecker entscheidet sich, zukünftig auch Uhren herzustellen und zu verkaufen. Das neue Produkt hat keinerlei Bezug zum eigentlichen Portfolio und spricht auch einen neuen Markt an. Zwar geht die Geschäftsführerin von Lecker hiermit ein großes Risiko ein, aber nur so kann auch langfristig ein stetiges Wachstum garantiert werden.
Kritik an der Ansoff-Strategie
Zwar gehört die Ansoff-Matrix zu den Grundpfeilern der Wachstumsplanung, man muss sich aber bewusst sein, dass sie erstens ziemlich alt und zweitens recht einfach ist. Das Modell ist in den 1950er-Jahren entstanden und spiegelt daher auch das damalige unternehmensstrategische Denken wider. Die Ansoff-Matrix geht von nur zwei Faktoren aus: von Produkten und Märkten. Eine Weiterentwicklung des Konzepts differenziert hier stärker: Die Produkte werden in bestehende, modifizierte und neue aufgeteilt und der Faktor ‚Markt‘ teilt sich in den geografischen Markt und die Zielgruppe auf. Auch diese modernere Anpassung lässt allerdings viele Faktoren außen vor. Die Produkt-Markt-Matrix ignoriert beispielsweise vollständig die Konkurrenz.
Auch andere Matrizen können Unternehmern helfen. So greifen manche Entscheider zur BCG-Matrix oder zum McKinsey-Portfolio.