Agiles Arbeiten: Herausforderungen der digitalen Welt meistern

Agiles Arbeiten wird als Organisationskultur in Unternehmen immer beliebter. Es hat sich innerhalb weniger Jahre zum Schlüsselthema im Management-Mainstream entwickelt und gilt für Unternehmen als beste Methode, den Anforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu begegnen. Doch was sind eigentlich die Grundsätze des agilen Arbeitens? Ist alles so rosarot, wie es scheint, oder müssen Führungskräfte auch Risiken und Nachteile einkalkulieren? Wir geben einen Überblick, wie agiles Arbeiten entstanden ist, wie es funktioniert und welche Perspektiven es für Unternehmen bietet.

Was ist agiles Arbeiten?

Der Begriff „Agilität“ stammt vom Lateinischen agilis ab, das mit „beweglich, schnell, eifrig“ übersetzt wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch meint Agilität heute die Fähigkeit, sich flexibel, schnell und proaktiv an Veränderungen anzupassen.

Was mit Agilität im Arbeitskontext gemeint ist, ist zunächst weniger klar. In der Wissenschaft wird der Begriff schon seit den 1950er-Jahren verwendet, allerdings mit unterschiedlichen Bedeutungen. Talcott beispielsweise beschrieb damals das AGIL-Schema (Adaptation, Goal Attainment, Integration, Latency) für soziale, sich selbst erhaltende Systeme.

Einer Studie der Hochschule Pforzheim (2016) zufolge ist Agilität im Unternehmenskontext gekennzeichnet durch vier zentrale Charakteristika: Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und ein agiles Mindset.

Etwas konkreter macht es die Definition des Gabler Wirtschaftslexikons. Demnach kann Agilität in Unternehmen „bedeuten, dass Prozesse unterbrochen und angepasst sowie Projekte wiederholt neu aufgesetzt werden, etwa mit Blick auf veränderte Kundenwünsche und Marktanforderungen. Sie kann zudem beinhalten, Prozesse und Projekte in gewisser Weise abzuschaffen. Agile Unternehmen bevorzugen ein iteratives Vorgehen und eine inkrementelle Lieferung.“

Typisch für agiles Arbeiten sind kleine interdisziplinäre Teams, kurze Feedbackschleifen, eine iterative Leistungserbringung und inkrementelle Verbesserung sowie flache Hierarchien.

Das Agile Manifest stellte einen Meilenstein in der Verbreitung des agilen Arbeitens dar. Es stammt aus der Software-Entwicklung, die vier darin vorgestellten Prinzipien können jedoch branchenunabhängig für agiles Arbeiten gelten:

  1. Individuen und Interaktionen wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
  2. Funktionierende Software wichtiger als umfassende Dokumentation
  3. Zusammenarbeit mit dem Kunden wichtiger als Vertragsverhandlung
  4. Reagieren auf Veränderung wichtiger als das Befolgen eines Plans
Definition

Agiles Arbeiten, wie es im Zuge der Digitalisierung populär geworden ist, ist nicht einheitlich definiert. Es lässt sich beschreiben als eine Arbeitsweise, die sich durch schnelles, flexibles und proaktives Handeln auszeichnet, das aus einem agilen Mindset erwächst. Dieses ist wiederum gekennzeichnet von Werten wie Kundenzentriertheit, Vernetzung, Vertrauen und Selbstorganisation.

Historie des agilen Arbeitens

Ihren Ursprung hatte die agile Arbeitsweise in der Software-Entwicklung und im IT-Projektmanagement. Erste Anfänge lassen sich bereits Anfang der 1990er-Jahre finden. Mit der Veröffentlichung des Agilen Manifests 2001 wurden die Prinzipien zunächst in den IT-Abteilungen und im Projektmanagement populär – Bereiche, in denen schon immer häufige und schnelle Veränderungen zum Tagesgeschäft gehörten.

Mittlerweile hat die Digitalisierung jede Branche und jeden Unternehmensbereich erfasst und ständige Veränderung zu einer Konstanten gemacht, sodass die Methoden und Prinzipien adaptiert überall angewendet werden (können). Seit den 2000er-Jahren etabliert sich agiles Arbeiten mehr und mehr als neuer Standard in der Management- und Organisationskultur.

Von agilen Prinzipien zu konkreten Methoden

Unternehmen, die ihre Arbeit nach agilen Prinzipien organisieren wollen, haben die Wahl zwischen verschiedenen Methoden. Die bekanntesten Frameworks sind Scrum und Kanban.

Bei Kanban steht die Visualisierung des Workflows im Mittelpunkt. Ziel ist es, einen gleichmäßigen und möglichst fließenden Arbeitsablauf herzustellen, um Projekte effizient zum Abschluss zu bringen. Aufgaben werden dazu begrenzt und auf einem Bord visualisiert, das den Projektablauf widerspiegelt. Die Methode kann sowohl von Teams als auch Einzelpersonen zur Strukturierung kleiner oder großer Projekte verwendet werden.

Scrum ist eine umfangreichere Methode, die mit festgelegten Rollen arbeitet und statt eines gleichmäßigen Workflows mit kurzen Arbeitssprints arbeitet, um kreative Produkte in Inkrementen zu liefern und Ergebnisse kontinuierlich zu verbessern.

In der Praxis werden die Methoden häufig an die gegebenen Rahmenbedingungen angepasst, kombiniert oder vereinfacht, um die Ziele des agilen Arbeitens zu erreichen.

Vorteile des agilen Arbeitens in der Unternehmenspraxis

Agiles Arbeiten ist als Gegenentwurf zum traditionellen Wasserfallprinzip entstanden, bei dem Projekte Phase für Phase linear durchgeführt werden. Dabei herrscht wenig Flexibilität, da alles auf ein zu Beginn definiertes Endergebnis zusteuert. Fehler fallen dabei erst spät auf und auch der Return on Investment zeigt sich erst mit Verzögerung nach der finalen Fertigstellung. Mit dem schnellen Tempo der Digitalisierung und dem steigenden globalen Wettbewerbsdruck funktioniert dieses träge und starre Modell immer weniger.

Bei den agilen Methoden wird statt eines klaren Ziels eine Richtung bzw. ein vorläufiges Ziel definiert. Denn für Unternehmen ist es überlebensnotwendig, schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Mehr noch: Für Erfolg in einer globalisierten Weltwirtschaft müssen Unternehmen Trends setzen und Innovationen entwickeln statt Wettbewerbern hinterherzulaufen. Agile Methoden ermöglichen es, Veränderungen zu antizipieren und sich so einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen.

Neben diesen Faktoren, die von außen auf viele Unternehmen einwirken und sie dazu bewegt haben, ihre gewohnten Arbeitsmodelle in Frage zu stellen, haben auch Veränderungen im Inneren der Unternehmen zu einem Wandel hin zum Agilen geführt. Konkret: Die Wünsche der Mitarbeiter haben sich verändert und finden, auch angesichts des demografischen Wandels und dem einhergehenden Fachkräftemangel, mehr und mehr Gehör in den Chefetagen.

Mitarbeiter wollen nicht länger in starren Hierarchien arbeiten, sondern mehr Gestaltungsspielraum und Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Hinzu kommt, dass mit der immer komplexer werdenden Umwelt auch die Projekte an Komplexität zulegen. Die klassischen Strukturen sind kaum mehr geeignet, um effektiv zu arbeiten.

Agile Prinzipien treffen sowohl bei Unternehmensführungen als auch bei Mitarbeitern einen Nerv: Sie verbessern nicht nur die Ergebnisse, sondern tragen dank des agilen Mindsets auch den veränderten Wünschen von Mitarbeitern nach einer respektvolleren Unternehmenskultur und einer besseren Work-Life-Balance Rechnung.

Vorteile auf einen Blick:

  • Schnellere Reaktionen auf Marktveränderungen möglich
  • Höhere Wettbewerbsfähigkeit
  • Bessere Effizienz
  • Kontinuierliche Produktverbesserungen
  • Höhere Kundenzufriedenheit
  • Innovativität
  • Attraktivität als Arbeitgeber (Fachkräfte)
  • Hohe Mitarbeiterzufriedenheit

Nachteile und Risiken der agilen Arbeitsweise

Agiles Arbeiten ist für viele Projekte und Unternehmen derzeit der wohl beste methodische Ansatz, ein Allheilmittel ist er jedoch nicht. Neben den vielen Vorteilen bringt agiles Arbeiten auch Risiken und Nachteile mit sich, denen sich jeder bewusst sein sollte, der die Methode einsetzen will.

Dass die Arbeitsweise auf ein vorab definiertes Ergebnis verzichtet, ist einer ihrer größten Vorteile, birgt aber gleichzeitig eine wesentliche Gefahr: Teams drohen in wiederholenden Arbeitssprints und permanenter Verbesserung ihr Ziel zu verlieren und Projekte ausufern zu lassen. Die Arbeit in iterativen Zyklen macht es schwer, den Projektfortschritt zu messen.

Wird kein klarer Zeitrahmen gesetzt, kann dies bei Kundenaufträgen zu Kostenexplosionen führen. Intern macht es die Flexibilität des Ansatzes schwer, zu Beginn eine realistische Ressourcenplanung vorzunehmen, da kein klares Arbeitsergebnis definiert wird.

Im Vergleich zum traditionellen Vorgehen muss deutlich mehr Zeit für Kommunikation eingeplant werden, sowohl für die Kommunikation mit dem Auftraggeber als auch für die Kommunikation innerhalb des/der Teams.

Kommen im laufenden Arbeitsprozess neue Mitarbeiter hinzu, ist das Onboarding in agilen Systemen zudem herausfordernder. Denn es wird weniger Wert auf ausführliche Dokumentation gelegt, stattdessen liegt der Fokus auf dem Fortschritt in der Praxis.

Risiken des agilen Arbeitens auf einen Blick:

  • Gefahr ausufernder Optimierung
  • Fortschritt schwer messbar
  • Schwierigkeit realistischer Ressourcenplanung
  • Höherer Kommunikationsaufwand
  • Minimale Dokumentation erschwert Onboarding
  • Erfordert hohe Sozialkompetenz

Fazit: Der Nutzen agiler Arbeitsorganisation

Agiles Arbeiten wurde und wird von einigen Managern als Heilsbringer und Garant für unternehmerischen Erfolg im digitalen Zeitalter verklärt. Es scheint oft, als könne agiles Arbeiten alle Probleme der digitalen Transformation lösen.

Vor allem in der Anfangszeit wurde daher ein erbitterter Diskurs geführt, in denen sich die Verfechter des alten Wasserfallmodells und die Vertreter des neuen agilen Ansatzes unversöhnlich gegenüberstanden und jeder die Wahrheit für sich beanspruchte.

Agiles Arbeiten bietet in vielen Fällen wohl tatsächlich die bessere Antwort auf aktuelle Herausforderungen der Arbeitsorganisation. Doch der Begriff verschleiert, dass es nicht nur eine Art gibt, agil zu arbeiten. Vielmehr existieren unter dem Schlagwort verschiedene agile Methoden, die sich durchaus deutlich voneinander unterscheiden. Für Unternehmen bedeutet dies, sich zu eingehend informieren und in Praxisversuchen die für sie passende agile Herangehensweise zu finden.

Dabei muss die Entscheidung nicht für oder gegen agiles Arbeiten gefällt werden. In der Praxis haben sich hybride Modelle etabliert, in denen Unternehmen traditionelle und agile Herangehensweisen kombinieren und individuelle Lösungen für ihre Anforderungen entwickeln.

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