Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) in der Übersicht
Die Buchführung gehört oftmals zu den unbeliebtesten Aufgaben eines Unternehmers. Egal, ob große oder kleine Betriebe, Selbständige oder Freiberufler – sie alle müssen prinzipiell dem Finanzamt jährlich eine Steuererklärung sowie eine detaillierte Übersicht über alle getätigten Geschäftsvorgänge des gesamten Wirtschaftsjahres abgeben. Die Bücher sowie der Jahresabschluss müssen dabei laut § 238, § 239 und § 243 des Handelsgesetzbuchs (HGB) den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) entsprechen. Wie diese Grundsätze jedoch im Einzelnen lauten, darüber bietet die Gesetzgebung nur lückenhafte Informationen. Warum Sie welche Grundsätze in der Buchführung beachten sollten, verrät Ihnen dieser Überblick.
Die GoB: Ein unbestimmter Rechtsbegriff?
In § 238 Abs. 1 HGB wird explizit darauf hingewiesen, dass alle eingetragenen Kaufleute verpflichtet sind, die GoB zu beachten. Auch der Jahresabschluss muss gemäß § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellt werden. In Deutschland sind die meisten Grundsätze der Buchführung allerdings nur verstreut im HGB zu finden. Ein gebündeltes Regelwerk der GoB sucht man vergeblich. Das Bundesministerium für Finanzen erklärt diesen Umstand folgendermaßen:
Die GoB sind ein unbestimmter Rechtsbegriff, der insbesondere durch Rechtsnormen und Rechtsprechung geprägt ist und von der Rechtsprechung und Verwaltung jeweils im Einzelnen auszulegen und anzuwenden ist (BFH-Urteil vom 12. Mai 1966, BStBl III S. 372; BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 1961, 2 BvL 1/59, BVerfGE 13 S. 153). Die GoB können sich durch gutachterliche Stellungnahmen, Handelsbrauch, ständige Übung, Gewohnheitsrecht, organisatorische und technische Änderungen weiterentwickeln und sind einem Wandel unterworfen. (Kapitel 1.10 GoBD)
Schnell wird klar: Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bestehen somit zum Teil aus ungeschriebenen Gesetzen, die sich in der Rechtsprechung über einen gewissen Zeitraum eingebürgert haben. Je nach Einzelfall können sie unterschiedlich interpretiert, ausgelegt und sogar verändert werden. Mögliche Gesetzeslücken sind nicht ausgeschlossen.
Betrachten Sie die GoB als allgemeine Richtlinien, an die Sie sich insbesondere dann orientieren sollten, wenn ein bestimmter Sachverhalt eine ungenügende Regelung aufzeigt.
Neben den GoB gibt es auch die vom Bundesministerium für Finanzen herausgegebenen Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenschutz (GoBD). Diese konkretisieren die GoB bezüglich der elektronischen Buchführung.
Warum Sie die GoB unbedingt beachten sollten
Auch wenn die GoB kein allgemeingültiges Regelwerk bilden, findet sie in der Rechtsprechung dennoch Anwendung. Im Handelsgesetzbuch wird immer wieder betont, dass Unternehmen sich an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung halten müssen (z. B. § 238 Abs. 1 HGB). Insbesondere wenn die Rechtsgrundlage in einem bestimmten Sachverhalt unklar ist, kann die GoB maßgebend sein und den Fall entweder zu Ihrem Vor- oder Nachteil entscheiden.
Ein Beispiel: Wenn Sie Ihre Bücher nicht ordnungsgemäß führen oder sogar im Verdacht stehen, das Finanzamt bewusst täuschen zu wollen, kann Ihnen das Recht auf die Vorsteuer entzogen werden oder sogar ein Steuerstrafverfahren bevorstehen. Stellt das Finanzamt allerdings fest, dass Sie die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eingehalten und in Ihrer Abschlussrechnung lediglich einen Flüchtigkeitsfehler gemacht haben, erhalten Sie unter Umständen Ihre Unterlagen zur Korrektur zurück.
Um Konflikte mit dem Finanzamt zu vermeiden, sollten Sie die GoB – neben den ohnehin gültigen Gesetzen – in Ihrem eigenen Interesse unbedingt beachten.
Die Grundsätze der Buchführung
Wie Sie Ihre Bücher und Ihren Jahresabschluss formal strukturieren und für das Finanzamt aufbereiten müssen, ist in den Paragrafen des HGBs gesetzlich festgeschrieben. Aus diesen lassen sich die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung herleiten. Generell gilt: Buchführungspflichtige müssen dem Finanzamt eine Bilanzierung unter Berücksichtigung der sogenannten Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) abgeben, nicht Buchführungspflichtige die sogenannte Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) im Sinne der einfachen Buchführung.
Als nicht buchführungspflichtig gelten Sie als Einzelkaufmann dann, wenn Sie gemäß § 141a HGB einen Jahresumsatz von 600.000 Euro bzw. einen Jahresgewinn von 60.000 Euro nicht überschreiten. Ausnahme: Freiberufler dürfen die Grenzen beim Jahresumsatz und -gewinn überschreiten und sind dennoch nicht buchführungspflichtig.
Rahmengrundsätze
Die Rahmengrundsätze der Buchführung finden Sie im § 239 Abs. 2 HGB zusammengefasst:
Die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden.
Grundsatz der Vollständigkeit
Den Vollständigkeitsgrundsatz finden Sie detailliert im § 246 HGB Abs. 1 geregelt. Dieser besagt, dass sämtliche Geschäftsvorfälle (Aufwendungen und Erträge), Vermögensgegenstände, Schulden sowie Rechnungsabgrenzungsposten (periodengerechte Erfassung aller betrieblichen Angelegenheiten) aus dem Jahresabschluss hervorgehen müssen. Der Grundsatz der Vollständigkeit wird erst dann erfüllt, wenn Sie allen Anforderungen eines ordnungsmäßigen Jahresabschluss gerecht werden.
Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit
Der Grundsatz der Richtigkeit ist dann erfüllt, wenn Sie den Jahresabschluss nach den gültigen Gesetzen erstellen und Ihre Werte eindeutig nachzuvollziehen und nachprüfbar sind. Hierbei ist es nicht nur wichtig, dass Sie die GoB in ihren Grundzügen verinnerlichen, sondern dass Ihre Angaben auch den Tatsachen entsprechen. Sofern Sie es nicht vermeiden können, ist es Ihnen erlaubt Schätzwerte nach eigenem Ermessen anzuwenden. Gemäß des Grundsatzes der Willkürfreiheit sollten Ihre Schätzwerte möglichst willkürfrei und allgemein vertretbar sein.
Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit
Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit bezieht sich auf die äußere Gestaltung Ihrer Bücher und Ihrer gesamten Unterlagen. Insbesondere der Jahresabschluss muss für das Finanzamt klar und übersichtlich gestaltet sein. Buchführungspflichtige finden die formalen Kriterien zur Gliederung der Bilanz in § 266 HGB, zur Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) in § 275 HGB geregelt. Anmerkungen zur Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) finden Sie unter § 4 Abs. 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG).
Grundsatz der Wertaufhellung
Der Grundsatz der Wertaufhellung regelt, wie sich kurzfristig entstandene Informationen auf Ihren Jahresabschluss auswirken, die Sie erst nach dem Bilanzstichtag (der letzte Tag des Wirtschaftsjahres) erfahren haben. Eine Wertaufhellung liegt dann vor, wenn die eingehende Information – z. B. ein kurzfristiger Geschäftsvorfall – noch vor dem Bilanzstichtag bekannt war, Sie allerdings noch nicht die Bilanz erstellt haben. Diese dürfen Sie in Ihrem Jahresabschluss noch nachträglich berücksichtigen.
Die Rechtsgrundlage zur Wertaufhellung finden Sie in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB geregelt.
Im Gegensatz dazu gibt es noch die sogenannte Wertbegründung. Damit sind Informationen über Sachverhalte gemeint, die sich erst nach dem Bilanzstichtag ereignet haben. Diese dürfen Sie – egal zu welchem Zeitpunkt Sie davon erfahren haben – in Ihrer Bilanz nicht mehr berücksichtigen.
Abgrenzungsgrundsätze
Zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehören ebenfalls die sogenannten Abgrenzungsgrundsätze. Diese bestehen aus dem Realisationsprinzip, Imparitätsprinzip und dem Grundsatz der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung.
Realisationsprinzip
Das Realisationsprinzip besagt, dass Sie sämtliche Gewinne erst dann in Ihre Bilanz miteinberechnen dürfen, wenn sie bis zum Abschlussstichtag auch tatsächlich realisiert worden sind. „Schwebende Beträge“, die Sie erst zukünftig auf Ihrem Betriebskonto erwarten, dürfen Sie nicht berücksichtigen (gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Wenn Sie also zum Beispiel ein Grundstück in Höhe von 150.000 Euro erwerben und der Wert innerhalb von einem Jahr auf das Doppelte ansteigt, dürfen Sie in Ihrer Bilanz lediglich die tatsächlichen Anschaffungskosten in Höhe von 150.000 Euro ausweisen. Selbst wenn Sie den Kaufvertrag praktisch schon in den Taschen haben, dürfen Sie den zukünftigen Gewinn – solange dieser noch nicht auf Ihrem Konto eingegangen ist – nicht in Ihrer Bilanz berücksichtigen.
Imparitätsprinzip
Im Gegensatz zum Realisationsprinzip, bei dem Wertsteigerungen erst zum Zeitpunkt ihrer Realisation berücksichtigt werden, dürfen zukünftige Wertminderungen in die Bilanz mit eingerechnet werden (Imparitätsprinzip). Mögliche Beispiele wären drohende Verluste aus „schwebenden Geschäften“ (Rückstellungen) oder messbare Wertminderungen von Vermögensgegenständen. Das Imparitätsprinzip ist sowohl mit dem Realisationsprinzip, als auch mit dem Vorsichtsprinzip eng verbunden.
Grundsatz der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung
Der Grundsatz der sachlichen Abgrenzung steht im engen Zusammenhang mit dem Realisationsprinzip. Hier geht es allerdings nicht primär um die Vermögensgegenstände der Bilanz, sondern um die periodengerechte Erfassung der gesamten Aufwendungen (Ausgaben) und Erträge (Einnahmen) innerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Wenn Sie beispielsweise im laufenden Wirtschaftsjahr Rohstoffe kaufen, zählen diese Ausgaben erst in dem Jahr als Aufwendungen, in dem sie tatsächlich zur Produktion verbraucht worden sind. Der Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung meint zeitraumbezogene Vermögensänderungen. Wenn Sie beispielsweise Ende Dezember Mietausgaben für insgesamt 3 Monate im Voraus zahlen sollen, dürfen Sie in Ihrem bevorstehenden Jahresabschluss lediglich ein Drittel der Summe berücksichtigen. Die Mietzahlungen für Januar und Februar dürfen Sie erst im darauffolgenden Kalenderjahr als Betriebsausgaben ausweisen. Vermögensveränderungen werden also zeitlich proportional der Periode zugerechnet, in der sie ursprünglich entstanden sind, und nicht in der Periode, in der die Zahlung erfolgte.
Die Rechtsgrundlage zum Grundsatz der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung finden Sie in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB geregelt.
Ergänzende Grundsätze: Das Vorsichtsprinzip
Im deutschen Handelsrecht übernimmt das Vorsichtsprinzip eine übergeordnete Stellung ein und dient vor allem dem Gläubigerschutz. Dieser ergänzende Grundsatz der GoB bedeutet, dass im Jahresabschluss alle Risiken und Verluste angemessen und fair zu berücksichtigen sind. In § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB heißt es diesbezüglich:
Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind.
Wenn Sie sich beispielsweise aufgrund eines „schwebenden Geschäftsvorgangs“ über die Größe eines Werts unsicher sind, sollten Sie Ihre Bilanz in der Regel mit einem niedrigeren Wert kalkulieren. Der Grundgedanke ist, dass die Lage Ihres Unternehmens – auch wenn die Vermögenslage womöglich erstmal schlechter bewertet wird – im Grunde besser aussieht, als es in Wirklichkeit ist. Das Vorsichtsprinzip dient damit der Kapitalerhaltung.
Im internationalen Raum steht hingegen der Grundsatz der fair presentation im Vordergrund. Dieser meint einen Jahresabschluss, der den tatsächlichen Verhältnissen eines Unternehmens entspricht. Das Vorsichtsprinzip findet nur im deutschen Handelsrecht Anwendung.
Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)
Bei Verstößen gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – z. B. durch fehlende Angaben oder Falschbuchungen – kann das Finanzamt folgendermaßen agieren:
- Die eingereichten Unterlagen werden an Sie zurückgeschickt mit der Aufforderung, die fehlenden oder falschen Angaben zu berichtigen.
- Das Finanzamt nimmt eigenständige Berichtigungen durch Teil- oder Gesamtschätzungen vor.
Je nach Umfang und Schweregrad der Verstöße können Ihnen folgende Nachteile oder Strafverfahren bevorstehen:
- Entzug steuerlicher Vergünstigungen (z. B. Vorsteuer)
- ungünstige Schätzungen der Besteuerungsgrundlage
- Steuerstrafverfahren
Je stärker Sie sich an den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) halten, desto eher wird das Finanzamt bei Problemen und Komplikationen zu Ihren Gunsten entscheiden.
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