Fair Value: Das steckt hinter dem beizulegenden Zeitwert
Am 29. Mai 2009 trat das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) offiziell in Kraft – es stellt eine umfassende Reform des Bilanzrechts dar. Diverse Aspekte erhielten einen anderen Stellenwert, wobei sämtliche Änderungen generell erstmals für am 01.01.2008 beginnende Geschäftsjahre und spätestens mit dem Beginn des auf die Änderungen folgenden Geschäftsjahres verpflichtend wurden. Unter anderem hielt auf diese Weise der Fair Value, der beizulegende Zeitwert, als neue Bewertungseinheit Einzug in das Bilanz- und Rechnungswesen. Dieser am Absatzmarkt orientierte, fiktive Wertmaßstab hilft Kapitalgebern und anderen Partnern bei der Beurteilung, ob bezüglich des bewerteten Unternehmens ein langfristiges Engagement sinnvoll ist. Im Jahresabschluss kann der Fair Value als aussagekräftiger Indikator für künftige Erfolge dienen.
Was ist der Fair Value?
Der International Financial Reporting Standard 13 definiert den beizulegenden Zeitwert als den Preis, der im Rahmen eines geordneten Geschäftsvorfalls unter Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag beim Verkauf eines Vermögenwerts eingenommen würde oder bei Übertragung einer Schuld zu zahlen wäre. Dabei wird angenommen, dass die Transaktion auf dem entsprechenden Hauptmarkt bzw. dem vorteilhaftesten Markt für den Vermögenswert bzw. die Schuld stattfindet. Ferner gilt die Annahme, dass die involvierten Parteien in ihrem wirtschaftlich besten Interesse agieren. Für die Bewertung des Fair Values sind angemessene Verfahren anzuwenden, für die ausreichend Datenmaterial verfügbar ist. Als die wichtigsten Ermittlungsverfahren werden in IFRS 13.62 die Marktpreismethode (Market Value), die Kostenmethode (Wiederbeschaffungswert) und die Kapitalwertmethode aufgeführt.
Die Parameter, die bei der Berechnung des beizulegenden Zeitwerts herangezogen werden, unterliegen einer hierarchischen Einstufung:
- Parameter der Stufe 1 ist der Marktpreis, der für identische Vermögenswerte oder Schulden (Marktpreise) erzielt werden würde.
- Eingangsparameter der Stufe 2 sind aus Marktbeobachtungen direkt oder indirekt abgeleitete Preise für identische oder ähnliche Vermögenswerte bzw. Schulden (Vergleichswerte).
- Eingangsparameter der Stufe 3 sind Preise für die Vermögenswerte oder Schulden, die nicht auf Basis von Marktbeobachtungsdaten ermittelt werden können (Schätzwerte).
Unternehmen sind in der Pflicht, ausführliche Angaben zum errechneten Fair Value zu machen. So muss ersichtlich sein, auf welches Bewertungsverfahren und welche Eingangsparameter zurückgegriffen wurde, und auch grundlegende Informationen zu den bewerteten Vermögenswerten bzw. Schulden sind notwendig. Ferner ist im Anhang aufzuführen, wie genau sich Bewertungen auf Basis von Parametern der Stufe 3 auf die daraus resultierten Gewinne bzw. Verluste ausgewirkt haben. Sofern jedoch bereits ein Marktpreis vorliegt, der den Anforderungen der Fair-Value-Definition gerecht wird, ist dieser den anderen Ermittlungsmethoden aufgrund seiner höheren Objektivität vorzuziehen.
Die Zielsetzung von Fair Value Accounting
Der Fair Value soll den Informationen in Jahresbilanzen eine höhere Objektivität, Transparenz und Relevanz verleihen. Da er ein handelsrechtlicher Bewertungsmaßstab ist, bleibt er dabei für die Unternehmen steuerrechtlich ohne Folgen. Sein großes Plus ist die Aktualität, die sich aus der zeitnahen Bewertung von Vermögens- und Schuldwerten ergibt. Historische Daten wie Anschaffungs- und Herstellungskosten, die andernfalls als Gradmesser dienen würden, können einen solch aktuellen Informationsgehalt nicht bieten. Für zukünftige wie auch aktuelle Kapitalgeber oder andere Unternehmenspartner sind beizulegende Zeitwerte folglich die beste Möglichkeit, die Erfolgsaussichten eines Engagements einzuschätzen. Ferner kann die Fair-Value-Bewertung als Indikator für geschäftliche Erfolge und als Basis für eine Einschätzung zukünftiger Zahlungsströme dienen.
Wann muss man den beizulegenden Zeitwert angegeben?
Als wichtiger Bewertungsmaßstab kann der Fair Value bei der Zugangsbewertung bestimmter Vermögensgegenstände und deren Folgebewertung eine wichtige Rolle spielen. Zu diesen Vermögensgegenständen gehören beispielsweise die Anschaffungskosten für ein Unternehmen oder erworbene Fremdforderungen. Insbesondere für die folgenden Vermögensgegenstände und Schulden ist eine Fair-Value-Bewertung Pflicht:
- alle Vermögensgegenstände, die Bestandteil eines Planvermögens (betriebliche Altersversorgung) sind
- Pensionsrückstellungen, insofern deren Höhe sich nach dem Fair Value von Wertpapieren richtet und dieser über dem garantierten Mindestwert liegt
- Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und Sonderposten, die mit der Beherrschung über ein Tochterunternehmen verbunden sind – Ausnahmen bilden hierbei Rückstellungen und latente Steuern
- Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und Sonderposten, die durch die Beteiligung an externen Unternehmen entstehen (begrenzt auf die Anschaffungskosten) – Ausnahmen bilden auch hier Rückstellungen und latente Steuern
Bei immateriellen Vermögensgegenständen ist die Berechnung des beizulegenden Zeitwerts im Übrigen prinzipiell nur eine Option, wenn die Planung eindeutig von der Entwicklung unterschieden werden kann und ein aktiver Markt vorhanden ist.
Fair Value berechnen: Die drei Ermittlungsverfahren im Überblick
Um den beizulegenden Zeitwert zu bestimmen, sind – wie bereits erwähnt – vor allem drei Verfahren von Bedeutung. Während die Marktmethode (Market Approach) direkt auf den entsprechenden Markt abzielt und Eingangsparameter der ersten und zweiten Stufe in die Fair-Value-Bewertung einfließen lässt, ermitteln die Kostenmethode (Cost Approach) und die Kapitalwertmethode (Income Approach) den Fair Value auf Basis von Bewertungskriterien der dritten Hierarchiestufe. In den folgenden Abschnitten erhalten Sie detaillierte Informationen zu den unterschiedlichen Ansätzen und erfahren, für welche Situationen diese im Speziellen geeignet sind.
Marktmethode (Market Approach)
Bei der Marktmethode handelt es sich um ein marktorientiertes Berechnungsverfahren. Hierbei gilt es, zwischen der direkten Nutzung gängiger Marktpreise und der Nutzung von Analogien zur Ermittlung des Fair Values zu unterscheiden. Im ersten Fall dient der konkrete Marktpreis als Orientierungshilfe zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts. Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Markt um einen aktiven Markt handelt, wofür drei Voraussetzung erfüllt sein müssen:
- Die gehandelten Vermögenswerte müssen homogen sein.
- In der Regel sind jederzeit vertragswillige Käufer und Verkäufer zu finden.
- Die Preise der gehandelten Gegenstände sind öffentlich einsehbar.
Im zweiten Fall gibt es keinen konkreten Marktpreis für den einzustufenden Vermögenswert, weshalb man den Fair Value anhand vergleichbarer Vermögenswerte ermittelt. Zu diesem Zweck werden die Vergleichswerte entsprechend modifiziert – zum Beispiel durch Zu- oder Abschläge. Auch der Einsatz von Multiplikatoren, die an Umsatz- oder Ergebnisgröße gekoppelt werden, ist möglich. Aufgrund der guten Nachvollziehbarkeit ist die Marktmethode das zu präferierende Ermittlungsverfahren für den beizulegenden Zeitwert. Häufig macht eine unzureichende Datenlage seine Anwendung jedoch unmöglich, da weder der konkrete Marktpreis noch vergleichbare Werte bekannt sind.
Kapitalwertmethode (Income Approach)
Die Kapitalwertmethode wird auch als Barwertmethode bezeichnet. Grundlage dieses Ansatzes ist die Abzinsung aller relevanten Zahlungsflüsse (Cash-Flows) mit einem risikoäquivalenten Zinssatz auf den Bewertungsstichtag. In Kombination mit Werten für die Höhe und Laufzeit der Zahlungsflüsse lässt sich letztlich dann der Fair Value ermitteln. Hierbei gibt es folgende Vorgehensweisen:
- Methode der unmittelbaren Cash-Flow-Prognose: Der Wert wird über die Summe künftiger Erfolgsbeiträge (Cash-Flows) ermittelt, die dem jeweiligen Vermögenswert zugeordnet werden können. Diese werden dann mit dem risikoangepassten vermögenswertspezifischen Kapitalisierungszinssatz diskontiert (abgezinst).
- Lizenzpreisanalogie: Der Fair Value wird bei der Methode der Lizenzpreisanalogie über fiktive Lizenzgebühren errechnet, die für einen Vermögenswert an Dritte gezahlt werden müssten. Zu diesem Zweck wird die entsprechende Lizenzrate mit dem geplanten vermögenswertspezifischen Umsatz multipliziert.
- Residualwertmethode: Grundgedanke dieser Methode ist, das dem zu bewertenden Vermögenswert zuzuordnende Einkommen als Residualeinkommen („Restwert“-Einkommen) einzustufen. Dazu ist es notwendig, die Zahlungsflüsse aller anderen Vermögenswerte (immateriell und sachlich) vom Gesamteinkommen des Unternehmens abzuziehen.
- Mehrgewinnmethode: Bei der Mehrgewinnmethode geht es darum, die zukünftig zu erwartenden Zahlungsflüsse des Unternehmens inklusive des zu bewertenden immateriellen Vermögenswertes zu ermitteln. Im Anschluss folgt ein Vergleich mit einem fiktiven Vergleichsunternehmen, das den zu bewertenden immateriellen Vermögenswert nicht im Bestand hat oder nutzt.
Allen Kapitalwert-Ansätzen gemeinsam ist das Problem, dass wesentliche Parameter bei der Bewertung des jeweiligen Wertobjekts durch subjektive Einschätzungen beeinflussbar bzw. manipulierbar sind. Vor allem Höhe und Zeitraum der relevanten Zahlungsflüsse sind zum Teil nur schwer nachzuvollziehen und zu objektivieren.
Kostenmethode (Cost Approach)
Die Kostenmethode umfasst zwei Ansätze zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts – die Reproduktionskosten- und die Wiederbeschaffungsmethode. Bei der Reproduktionskostenmethode setzt sich der Fair Value aus allen Kosten zusammen, die notwendig dafür wären, den Vermögenswert eins zu eins nachzubilden, wenn identische Ressourcen und Maßnahmen zum Einsatz kommen würden. Die Wiederbeschaffungsmethode zielt ebenfalls auf die Kosten ab, die bei der Nachbildung des Vermögenswerts (mit identischem Nutzen) anfallen würden. Anders als bei der Reproduktion wird hierfür jedoch angenommen, dass die jeweils aktuellen Ressourcen und Methoden verwendet werden.
Kosten, die in diese Bewertung einfließen, sind sowohl direkte Kosten bzw. Zahlungsflüsse als auch Gemeinkosten und Opportunitätskosten wie Unternehmerlohn. Ist das zu überprüfende Wertobjekt bereits zu einem früheren Zeitpunkt bewertet worden, muss man zudem den in der Zwischenzeit entstandenen ökonomischen Wertverlust bestimmen und abziehen, um den endgültigen Fair Value zu berechnen. Die Stärken des Cost Approachs liegen in der Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit der Bewertungskriterien, wobei jedoch der Nachbildungsprozess für viele immaterielle Wertgegenstände nur schwer zu realisieren ist. Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass das zukünftige Ertragspotenzial nicht abgebildet wird.
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