Stille Reserven: Die stillen Rücklagen erklärt

Der Begriff „stille Reserven“ steht für vorhandene Werte, die in der Unternehmensbilanz nicht auftauchen. Solche Rücklagen sind jenseits der klaren Bilanzwahrheit unvermeidlich und vom Gesetzgeber gewollt – jedenfalls bis zu einem gewissen Umfang. Was sind stille Reserven genau und welche Rolle spielen sie?

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Was sind stille Reserven?

Stille Reserven bzw. stille Rücklagen oder auch Bewertungsreserven bezeichnen Eigenkapital, das nicht in der Bilanz eines Unternehmens auftaucht. Sie entstehen (sowohl durch Absicht als auch unabsichtlich) durch eine Bewertung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten eines Unternehmens, die so vom tatsächlichen Wert abweichen, dass ein versteckter Wertüberschuss entsteht. Stille Reserven sind bis zu ihrer Auflösung nicht real, sondern lediglich eine theoretische Größe. Sie mindern den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn. Das bedeutet: Die Steuerlast sinkt, aber ebenso der Ertrag für die Anteilseigner und Anteilseignerinnen (Aktionäre und Aktionärinnen, Inhaber und Inhaberinnen von Gesellschaften und Firmen).

Hinweis

Das Gegenteil von stillen Reserven sind stille Lasten. Sie entstehen dadurch, dass man Vermögensgegenstände überbewertet und/oder Schulden einen zu geringen Wert beimisst. Anders als bei den stillen Reserven ist dies in keinem Fall zulässig. Für eine erste Bewertung ist bei Vermögenswerten der Beschaffungspreis die obere Grenze, und jede Wertminderung erfordert eine entsprechende Abschreibung.

Wie entstehen stille Reserven? Vier Beispiele

Stille Reserven entstehen dadurch, dass der tatsächliche oder aktuelle Wert von Vermögen und Verbindlichkeiten deren Bewertung übersteigt beziehungsweise unterschreitet. Im Unternehmen sind damit Werte vorhanden, die in der Bilanz nicht auftauchen. Dieser Effekt kann auf unterschiedliche Weise entstehen.

Abschreibungen

Nehmen wir an, dass ein Unternehmer eine Maschine angeschafft hat. Ihr Wert muss entsprechend ihrer Abnutzung über die Jahre abgeschrieben werden – etwa über zehn Jahre. Am Ende dieser Zeit ist die Maschine komplett abgeschrieben, hat also den Buchwert Null. Tatsächlich ist das Gerät aber noch gebrauchsfähig, wird deshalb weiterhin genutzt und könnte auch noch verkauft werden. Der Vermögensgegenstand hat damit noch einen Wert für das Unternehmen, der nicht mehr in seinen Büchern auftaucht: Dieser Vermögensgegenstand ist damit unterbewertet und stellt eine stille Reserve dar.

Hinweis

Entsprechendes gilt auch für geringwertige Wirtschaftsgüter. Sie werden gar nicht erst Teil des Betriebsvermögens, vielmehr gelten ihre Anschaffungskosten als Betriebsausgaben. Trotzdem haben diese Gegenstände einen realen Wert und könnten beispielsweise verkauft werden.

Wertsteigerung

Nach dem Handelsgesetzbuch darf man Vermögensgegenstände höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der Bilanz bewerten. Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein Grundstück für 50.000 Euro kauft, dann taucht dieser Betrag auch in den Büchern auf. Wenn der Marktwert des Grundstückes aber im Lauf der Zeit auf 100.000 Euro steigt, dann ist der Vermögensgegenstand dort unterbewertet. Das Resultat ist eine stille Reserve von 50.000 Euro. Tatsächlich muss das Grundstück laut Gesetz weiterhin mit seinem ursprünglichen Kaufpreis in der Bilanz stehen bleiben.

Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände

Das Handelsgesetzbuch gibt Unternehmen mit dem Bilanzierungswahlrecht die Option, immaterielle Vermögensgegenstände, die sie selbst geschaffen haben, nicht in die Bilanz einfließen zu lassen (§ 248 Abs. 2 HGB). Hat das Unternehmen beispielsweise ein Patent angemeldet, kann dies einen bestimmten Wert haben, etwa dadurch, dass sich entsprechende Produkte herstellen und verkaufen lassen. Das Patent ließe sich auch verkaufen, doch braucht man seinen angenommenen Wert nicht in die Bilanz aufnehmen. Damit ist der bilanzierte Wert des Unternehmens geringer als sein tatsächlicher Wert. Es ist eine stille Reserve entstanden.

Rückstellungen

Stille Reserven durch Überbewertung von Passiva entstehen zum Beispiel angesichts von erwarteten Nachzahlungenoder Steuerzahlungen. Ein Unternehmen erhält beispielsweise die Information, dass eine Steuer anfallen wird. Daraufhin baut es eine Rücklage von 2 Millionen Euro auf, damit es die Steuer zahlen kann, wenn es dazu aufgefordert wird. Tatsächlich beträgt die zu erwartende Steuer aber nur eine Million Euro. Damit hat der verbleibende Rest den Charakter einer stillen Rücklage.

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Welche Arten von stillen Reserven gibt es?

Abhängig davon, wie stille Rücklagen entstehen, kann man drei verschiedene Arten unterscheiden.

Zwangsreserven

Während selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände nicht zwangsläufig Teil des Firmenvermögens werden müssen, ist dies bei selbsterstellten Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten, Kundenlisten oder ähnlichem nicht einmal zulässig (§ 248 Abs. 2 HGB). Das Unternehmen wird in solchen Fällen also sogar gezwungen, entsprechende stille Rücklagen zu bilden. Allerdings sind solche Werte kaum zu beziffern, sodass entsprechende Bilanzposten kaum sinnvoll wären. Konkreter sind dagegen Wertsteigerungen über die Anschaffungskosten hinaus wie im Beispiel mit dem Grundstück. Auch in solchen Fällen entstehen stillen Reserven zwangsläufig.

Dispositions- und Ermessensreserven

Manche Werte sind nicht klar bemessen und müssen daher vom Unternehmen bestmöglich geschätzt werden. Da ein verantwortungsvoller Kaufmann bzw. eine verantwortungsvolle Kauffrau dabei das Vorsichtsprinzip walten lassen und im Zweifelsfall das Vermögen zu gering und die Schulden zu hoch einschätzen sollte, entstehen auch dadurch oftmals stille Reserven. Von Dispositionsreserven spricht man, wenn Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte angewendet werden, man also bewusst entschieden hat, ob bzw. wie man bestimmte Werte in die Bilanz aufnimmt. Auf der anderen Seite entstehen Ermessensreserven durch Schätzungen – nicht nur eines Wertes, sondern auch der Nutzungsdauer bei Abschreibungsplänen.

Willkürreserven

Während die ersten beiden Typen mehr oder weniger unausweichlich entstehen und daher auch erlaubt oder sogar gefordert werden, sind Willkürreserven nicht zulässig. Sie entstehen, wenn man bei der Bildung von Reserven fahrlässig oder sogar vorsätzlich gegen Vorschriften und Prinzipien verstößt. Wenn man beispielsweise aktivierungspflichtige Vermögensgegenstände nicht in die Bilanz aufnimmt, verletzt man unter Umständen Vorschriften des Handelsrechts und des Steuerrechts, mit entsprechenden strafrechtlichen und auch zivilrechtlichen Folgen.

Stille Reserven auflösen

Zum großen Teil lösen sich stille Reserven mit der Zeit von allein auf: Zu niedrig bewertete Vermögensgegenstände werden beispielsweise verkauft und tauchen dann mit ihrem Verkaufspreis in der Bilanz auf. In anderen Fällen nehmen Unternehmen eine Auflösung vor, indem sie Aktiva oder Passiva in der Bilanz korrigieren und mit einem passenderen Wert versehen. Es gibt aber auch stille Rücklagen, die dauerhaft bestehen bleiben. Dazu zählen etwa Immobilien, die zwar im Wert steigen, aber langfristig für den Unternehmensbetrieb eingesetzt werden.

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